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  Sommer 2017

Freie Universität Berlin: Verteidigt die linke Dozentin Eleonora Roldán Mendívil!

Anti-palästinensische Hexenjagd auf linke und jüdische Aktivisten

Eleonora Roldan
              Mendivil
Eleonora Roldán Mendívil ist auf Grund einer Rufmordkampagne von der weiteren Vergabe von Lehraufträgen am OSI ausgeschlossen.  (Fotos: privat; asebsa.blogspot.de)

Der nachfolgende Artikel erschien zuerst auf Englisch auf internationalist.org (22. März), Website der Liga für die Vierte Internationale.

In den letzten Monaten wurden verschiedene jüdische und linke Gruppen sowie Einzelpersonen Opfer von Verfolgung auf Grund ihrer pro-palästinensischen Ansichten. Die Angreifer reichen von rechten deutschen Nationalisten bis zu den eigentümlichen selbsternannten (bzw. grob fehlbenannten) „Antideutschen“. Was sie gemeinsam haben, ist die totale Unterstützung von allem, was die israelische Regierung tut, sowie ihren virulenten antimuslimischen Rassismus.

Ein Fall von anti-palästinensischer Zensur, der international Aufmerksam­keit erregt hat, ist der Ausschluss vom Lehrbetrieb der Dozentin Eleonora Roldán Mendívil an der Freien Universität Berlin (FU). Im Wintersemester lehrte sie ein Bachelor-Seminar über „Rassismus im Kapitalismus“ im Rahmen ­eines Lehrauftrages, der vor jedem Semester verlängert werden muss. Am 25. Dezember veröffentlichte das obskure Blog „Boasinfo“, betrieben von einem deutschen Nationalisten namens Andreas Boldt (der Trumps Einreiseverbot begrüßt und mehr „racial profiling“ von Muslimen in Deutschland fordert), einen Hetzartikel gegen Roldán Mendívil, der sie als Antisemitin verleumdet.

Kurz darauf schickte die Hochschulgruppe „Gegen jeden Antisemitismus“ einen Brief (5. Januar) an den FU-Präsidenten und das Otto-­Suhr-Institut für Politikwissenschaft, um ihre Entlassung zu fordern. Mit beispielloser Geschwindigkeit, und ohne auch nur mit ihr zu reden, veröffentlichte der stellvertretende Institutsleiter Bernd Ladwig eine Erklärung (9. Januar) auf der OSI-Website, mit der Entscheidung Roldán Mendívil von der Vergabe zukünftiger Lehraufträge auszuschließen, „zumindest bis zur Klärung der Vorwürfe“. Und das an einer Universität, deren Hauptgebäude noch immer nach Hitler-Fan Henry Ford benannt ist, auch nach vielen Jahren von Kampagnen dies zu ändern!

Was sind die Beweise, die eine große Universität zwingen, öffentlich eine ihrer Dozentinnen des Antisemitismus zu verdächtigen (eine karrierezerstöende Anschuldigung) und die Strafe vor jedweder Form von Anhöung oder Verfahren festzulegen? Roldán Mendívil hatte einen Brief von Hunderten Künstlern, Musikern und Performern (einschließlich der beliebten Sängerin Nina Hagen) unterschrieben, in dem gefordert wurde, dass die wahllose israelische Bombardierung des Gaza-Streifens 2014 beendet wird, bei der mehr als 2 000 Palästinenser getötet wurden, überwiegend Zivilisten. In ihrem aufgegebenen persönlichen Blog nannte sie Israel einen „Kolonialstaat“, verglich dessen Politik mit der südafrikanischen Apartheid und erklärte Unterstützung für die Bewegung für Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS).

Der Denunziationsbrief äußerte besondere Empöung darüber, dass derartige Formulierungen Israel, einen angeblich „demokratischen Rechtsstaat“, auf eine Stufe mit „Unrechtsregimen“ stellen würden. „Demokratischer Rechtsstaat“ Israel?! Erzählt das palästinensischen Kindern, die für Steinwürfe auf schwer bewaffnete Soldaten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt werden, während ein israelischer Armee-Sanitäter nach dem kaltblütigen Mord an einem wehrlosen Araber vor kurzem ein Urteil von nur 18 Monaten erhielt! Ein weiterer Vorwurf ist, dass Roldán Mendívil bei einer Flüchtlingsdemo 2015 half, einen „antideutschen“ Übergriff auf einen Maoisten zu stoppen, der für das Tragen einer palästinensischen Flagge zur Zielscheibe wurde. Nichts davon ist antisemitisch.

Dennoch beauftragte die Universität einen „wissenschaftlichen Experten“ für Antisemitismus für diese Hexenjagd und Rufmordkampagne. Die „Vorwürfe beziehen sich nicht direkt“ auf Roldán Mendívils Kurs, wie die Erklärung von Institutsleiter Ladwig bestätigt. Ein Unterstützungbrief, unterzeichnet von 32 Studierenden ihres Kurses, stellt fest, dass ihre Lehre ihre Opposition zum Antisemitismus widerspiegelt, und lehnt Angriffe auf ihre Qualifikation ab: „Wir schätzen ihre differenzierte und wissenschaftliche Beschäftigung mit Rassismus und Kapitalismus, die eine Bereicherung für das Lehrangebot des OSIs darstellt. Die politische Positionierung Roldán Mendívils schätzen wir anhand ihrer Aussagen im Seminar als reflektiert und herrschaftskritisch gegenüber jeglichen Formen des Rassismus ein.“

Diese ganze Kampagne hat nichts mit Besorgnis über Antisemitismus zu tun. Vielmehr handelt es sich um eine politische Hexen­jagd gegen eine Linke. Bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion am OSI über „Israelkritik und die Grenzen der akademischen Diskussionsfreiheit“ bestätigte Ladwig dies, als er unverblümt sagte, dass es ihm „ehrlich gesagt egal“ sei, ob Roldán Mendívils Äußerungen antisemitisch waren oder nicht. Angesichts seiner Zusammenarbeit mit israelischen Universitäten sagte er, dass ihm „eine solche Person nicht ins Haus“ kommt (klassegegenklasse.org, 17. Februar), als ob er die Universität verköpern würde.

Ladwig bezog sich wiederholt auf den sogenannten „3D-Test“, erfunden von ­Natan Scharanski, zionistischer Militarist und rechter israelischer Ideologe, wonach Delegitimierung, Dämonisierung und Doppelmoral in Bezug auf Israel antisemitisch sei. Dieser ehemalige antisowjetische Spion war Bauminister und verantwortlich für Israels illegale Siedlungen in den besetzten Gebieten, als er diesen „Test“ ausheckte – ein offensichtliches Ablenkungsmanöver angesichts internationaler Empöung über die jahrzehntelange zionistische Besatzung ­palästinensischer Gebiete. Aber darüber hinaus sendet die FU-Administration eine Botschaft an alle Mitarbeiter: Sie riskieren ihren Job, wenn sie öffentlich Meinungen vertreten, die den Bossen missfallen, selbst abseits vom ­Arbeitsplatz.

In der Tat stießen linke Gewerkschafter, die versuchten, Unterstützung für ihre Kollegin zu organisieren auf Widerstand in ihren Gewerkschaftsgruppen auf dem Campus. Zwar unterstützt nur eine Minderheit der aktiven Gewerkschafter die Kampagne gegen Roldán Mendívil. Diese fanden jedoch de facto Blockpartner in sozialdemokratischen Bürokraten, die verhindern wollten, dass die Gewerkschaften Stellung beziehen. Gepaart mit einem Element von Angst um ihre Existenzgrundlage, sollten sie sich in dieser Angelegenheit einsetzen, entschied die Mehrheit der Gewerkschaftsaktiven, keine Seite einzunehmen.

Im Falle einer Initiative gegen das System der Lehraufträge (bewilligt für jeweils ein Semester) wurde entschieden, Roldán Mendívil bei einer öffentlichen Veranstaltung nicht zu erwähnen, um eine Spaltung zu vermeiden. Aber ein wichtiger Grund für das System kurzfristiger Lehraufträge ist ja gerade, dass das Lehrpersonal davon abgeschreckt wird, den Mund auf zu machen, wegen ständiger Angst, keinen neuen Vertrag zu erhalten. Im Namen der Einheit, ließ die Initiative eine Kollegin im Stich, deren Fall genau die Ungerechtigkeit verköpert, die sie angeblich bekämpfen wollen.

Berliner Lehrer, deren Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) auch eine kleine Sektion von Universitätsbeschäftigten beinhaltet, haben wiederholt ihre Mili­tanz gezeigt. In den letzten Jahren wurden ihre Streiks für die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit an Berlins Schulen immer wieder durch die Gewerkschafts­bürokratie abgewürgt, sobald die Streiks begannen weh zu tun (also Wirkung zeigten). Diese Militanz muss in Unterstützung der verwundbareren Uni-Angestellten mobilisiert werden, von denen viele unter kurzfristigen Verträgen arbeiten, die gewerkschaftliche Organisation quasi verhindern.

Das Schikanieren von Eleonora Rol­dán Mendívil für ihre linken politischen Ansichten ist ein offensichtliches Beispiel für all das, was am System kurzfristiger Beschäftigung falsch ist. Sie zu verteidigen ist im objektiven Interesse aller Gewerkschafter, welche politischen Differenzen sie auch haben mögen. Die sozialdemokratischen Ausverkäufer, die eine solche Perspektive abblocken, müssen politisch bekämpft werden und durch eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung ersetzt werden.

Während der Kontroverse wurde die Gruppe „Gegen jeden Antisemitismus“ als ein paar harmlose Studenten dargestellt. Sie benutzen den Vorwand eines „Kampfes gegen Antisemitismus“ für die Organisa­tion von Uni-Veranstaltungen für Leute aus dem Milieu rund um das „antideutsche“ Schmierblatt Bahamas, das sich für widerliche anti-muslimische Rassisten begeistert, von der verstorbenen italienischen Ex-­Linken Oriana Fallaci (die erklärte, dass sich Muslime in Italien „wie Ratten vermehren, und in Taufbecken pinkeln“), bis zur faschistischen „English Defence League“. Ein Typ, der eingeladen wurde, um an der FU zu sprechen ist Tjark Kunstreich, der den Krieg gegen den Irak unterstützte und einmal diejenigen „Freunde Israels“ ­tadelte, die Avigdor Liebermanns Plan, alle Araber aus Israel zu vertreiben abstoßend fanden. Ein weiterer ist Gerhard Scheit, der kürzlich in einem Artikel zur Flüchtlingskrise, das Fehlen eines „europäischen Guantanamo“ beklagte und „Reeducation“ (Umerziehung) von Flüchtlingen „im Sinne der Aufklärung“ forderte.

Für den Fall, dass es noch nicht klar geworden ist, die „Antideutschen“ sind kein Teil der Linken – tatsächlich wollen sie diese zerstöen. Sie haben kein Problem sich an reaktionäre bürgerliche Politiker anzulehnen, wie den prominenten grünen Bundestagsabgeordneten Volker Beck, der kürzlich eine offizielle Definition von Kritik an Israel als antisemitisch forderte (Jüdische Allgemeine, 2. März), ein Artikel, den „Gegen jeden Antisemitismus“ auf ihrer Facebook-Seite postete. Eine solche Definition bedeutet, berechtigte Vorwürfe des Antisemitismus jeglicher Bedeutung zu berauben.

Der deutsch-nationalistischen/„anti­deu­tschen“ Rufmordkampagne zum Trotz erhielt Eleonora Roldán Mendívil einiges an Unterstützung. Ihre Studierenden starteten eine Petition, linke und liberale Gruppen schickten Solidaritätsadressen und internationale Wissenschaftler äußerten Empöung über diesen Angriff auf die akademische Freiheit, darunter der israelische Historiker Ilan Pappé. Die israelische Organisation Academia for Equality, die mehr als 250 Wissenschaftler repräsentiert, schrieb (15. Januar):

„Als Wissenschaftler die in der Israel-Palästina-Frage versiert sind, von ­denen einige auch Antisemitismus erforschen, meinen wir, dass Frau Roldán Mendívils vehe­mente Opposition gegen die anhaltende Besatzung Palästinas deutlich im Rahmen berechtigter akademischer Äußerungen liegt. Deshalb verteidigen wir nachdrücklich ihr Recht, diese Meinungen zu vertreten, ohne um ihre Existenzgrundlage fürchten zu müssen.“

Jüdische Bürgerrechtsaktivisten unter Beschuss pro-israelischer Gruppen

„Antideutsche“ und Zionisten vermengen absichtlich die jüdischen religiösen/ethnischen Minderheiten in verschiedenen Ländern, die hebräischsprachige Nation in Israel und den zionistischen israelischen Staat. Dieser imaginäre monolithische Block wird durch jüdische Linke und Menschenrechtler zerstöt, die es nicht akzeptieren, von Israels Regierung und ihren Anhängern benutzt zu werden, um die Unterdrückung der Palästinenser zu rechtfertigen. Daher sind sie quasi verboten im „demokratischen“ Deutschland, das die Rechtsnachfolge des Dritten Reiches der Nazis beansprucht.

Der liberale jüdisch-amerikanische Historiker Norman Finkelstein, Sohn von ­Holocaust-Überlebenden, kann beispielsweise nicht mehr in Deutschland und Österreich auftreten, ohne Drohungen gegen ihn oder seine Gastgeber durch „Antideutsche“. 2010 war „BAK Shalom“, eine „antideutsche“ Gruppierung innerhalb der Linkspartei-­Jugendorganisation, erfolgreich damit, die linksparteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung unter Androhung von Stöungen zur Absage einer Veranstaltung in Berlin zu drängen. Im Januar versuchte eine unheilvolle Allianz aus „BAK Shalom“, Volker Beck und der ultra­rechts-zionistischen Jerusalem Post zu verhindern, dass ein interner Workshop mit Finkelstein am Max-Planck-Institut in Halle stattfindet, der letztlich unter schweren Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt wurde (Mitteldeutsche ­Zeitung, 26. Januar).

Weitere Beispiele für diese zionistischen Hexenjagd gibt es im Überfluss. Vergangenen Herbst wurde der Menschenrechtsgruppe Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden im Nahen Osten, in der deutsche und israelische Staatsbürger organisiert sind, das Bankkonto gekündigt. Die Bank für Sozialwirtschaft, bei der viele Wohlfahrtsverbände, politische Organisationen und Gewerkschaften Konten haben, beschuldigte die Gruppe Israels Existenzrecht abzulehnen, weil sie an der Bewegung für Boykott, Desinvestition und Sanktionen beteiligt sind, die versucht, Israel unter Druck zu setzen, sich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen. Die Bank wurde nach einem Hinweis von Benjamin Weinthal aktiv, Korrespondent für die Jerusalem Post, der die Jüdische Stimme als „pro-Hamas“ und „antisemitisch“ denunzierte. Wie Shir Hever, Vorstandsmitglied der Gruppe es ausgedrückt hat: „Dies ist das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass eine deutsche Bank das Konto einer jüdischen Organisation geschlossen hat“ (Middle East Eye, 8. Dezember 2016).

Kürzlich diffamierte die Wochenzeitung Jungle World (9. Februar) eine Gruppe von ­israelischen Homosexuellenrechtsaktivisten in einem Artikel mit dem ekelhaften Titel „Die Irren von Zion“. Die Gruppe „Berlin Against Pinkwashing“ wurde als eine Bande von gewalttätigen Wilden dargestellt, weil sie friedliche Proteste gegen Versuche organisiert, Israels relativ liberale Homosexuellen-Gesetze als Alibi für die zionistische Unterdrückung der Araber in Israel und den besetzten Gebieten zu verwenden (sie also „pinkzuwaschen“). Eine ihrer Aktionen war ein „Die-in“, bei dem sie sich vor einem Stand der israelischen Botschaft bei einem schwulen Straßenfest symbolisch auf den Boden legten. Der Artikel hebt zwei Aktivisten mit vollem Namen heraus, weil sie es wagten, nach einem Jungle-World-Vortrag in Verteidigung von Israel ihre pro-palästinensische Meinung zu äußern. So werden sie potenziellen reaktionären Angriffen, sowie Repressalien durch die Ausländerbehöde ausgesetzt. Auch sie werden als „antisemitische“ Anhänger der BDS-Bewegung denunziert.

Für die „Antideutschen“ spielt die Jungle World eine wichtige Rolle dabei, anti-palästinensische Propaganda in Teilen der linken und liberalen Öffentlichkeit respektabel zu machen, da sie ein viel breiteres Publikum anspricht, als offen rassistische Szene-­Publikationen wie Bahamas, und auch in vielen gewöhnlichen Buchhandlungen und Kiosken verkauft wird. Wie nach dem Drehbuch rechter Demagogen, die sich zur besten Sendezeit lautstark über nicht-existente „Sprechverbote“ beschweren, nutzt der Autor sein Forum von gut 15 000 JW-Lesern, um über imaginäre „Sprechverbote“ zu jammern – angeblich durchgesetzt von einer Handvoll israelischer Immigranten!

Berlin, Juli 2016: Protest israelischer und anderer Aktivisten gegen das „Pinkwaschen“ israelischer Verbrechen gegen die Palästinenser. (Foto: Berliner Zeitung)

Letztes Jahr wurden in Berlin während der Parade zum Christopher Street Day Aktivisten von „Berlin Against Pinkwash­ing“ physisch angegriffen – geschubst und mit Fahnenstangen geschlagen – als sie mit Schildern wie „No Pride in Israeli Apartheid“ gegen die Rede des israelischen Botschafters protestierten. In einem Video ist zu sehen, wie eine Frau mit einer israelischen Fahne geschlagen wird. Der Angreifer ist Andrew Walde, ein DGB-Bürokrat und SPD-Kandidat bei den letzten Kommunalwahlen. Auch zu erkennen ist Linksparteiler und damaliges Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses Oliver Höfinghoff, der eine Regenbogenfahne als Waffe einsetzt (Berliner Kurier, 26. Juli 2016).

Der marxistische Standpunkt zu BDS

Die Liga für die Vierte Internationale verteidigt die Befürworter von Boykott, Desinvestition und Sanktionen gegen rechte und zionistische Angriffe sowie Zensur. Wir verurteilen das neue israelische Gesetz, das Unterstützern von BDS und anderen, denen Verbreitung „palästinensischer Propaganda“ vorgeworfen wird, die Einreise nach ­Israel verbietet. Wir sind gegen alle Versuche, Opposition zum Zionismus mit Antisemitismus gleichzusetzen. Wo Debatten über BDS an Universitäten quasi zu einem Referendum über Zionismus werden, würden wir das kritisch unterstützen.

Das bedeutet jedoch nicht, dass wir BDS politisch befürworten, da es fehlgeleitet und in mehrfacher Hinsicht falsch ist. Vor allem ist es nicht kompatibel mit einer Klassen-Perspektive, den Kapitalismus im Allgemeinen und zionistische Unterdrückung in Israel/Palästina im Besonderen zu Fall zu bringen. Wer soll desinvestieren und Israel sanktionieren? Die Arbeiterklasse hat weder Investitionen die sie umleiten könnte, noch hält sie irgendwo die politische Macht um Sanktionen zu verhängen. Impotente Verbraucherboykotts israelischer Waren oder Akademiker bedrohen nicht Israels kapitalistische Herrscher oder ihre imperialistischen Schutzherren, haben aber das Poten­zial, den nationalistischen Griff der Bourgeoisie über das „eigene“ Proletariat zu festigen.

BDS ist im Grunde ein Appell an imperialistische Konzerne, Regierungen und internationale Institutionen, im Interesse der Palästinenser zu intervenieren. Erstens födert dies Illusionen in die Herbeiführung einer friedlicheren, rationaleren und sozialeren Form des Kapitalismus, wenn doch nur genügend Druck aufgebaut werden könnte. Diese illusorische Vorstellung hat sich in der Vergangenheit als tödlich erwiesen. Man erinnere sich nur an die Massaker von Sabra und Schatila 1982, zwei palästinensische Flüchtlingslager im Libanon. Die Kräfte der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) waren unter der Aufsicht der US-geführten multinationalen Truppe aus dem Libanon evakuiert worden. Statt Frieden zu bringen, schuf das die Voraussetzungen für die israelischen Besatzungstruppen, die Lager zu umzingeln und ihre Verbündeten der faschistoiden christlichen Phalange-Miliz reinzuschicken, die etwa 2 000 unbewaffnete Zivilisten abschlachteten.

Zweitens, beschönigt BDS komplett die Verbrechen imperialistischer Mächte wie den USA, Deutschland, Britannien und Frankreich, an die diese „Strategie“ appelliert. Die „demokratischen“ Imperialisten sind für unsagbares Gemetzel mit Millionen von Toten in der ganzen neokolonialen Welt verantwortlich, nicht zuletzt auch im Nahen Osten. Und im Vergleich dazu muss man klar sagen, verblassen die Gräueltaten der herrschenden Klasse Israels.

Drittens wird die Politik der Imperialisten von ihren jeweiligen wirtschaftlichen und politischen Interessen gelenkt, die sich ändern können. So unwahrscheinlich diese Möglichkeit momentan auch sein mag, es ist denkbar, dass die USA oder Deutschland zukünftig ihre bedingungslose Unterstützung Israels als den Regionalgendarm zurück ziehen könnten, wie die USA es 1956 im Suez-Krieg taten. Sollte dies geschehen, könnte es eine massenmöderische Raserei unter den blutrünstigen zionistischen Militaristen entzünden, um verzweifelt „Fakten zu schaffen“ so lange sie noch können, durch eine komplette Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung.

Auf jeden Fall ist es nicht das Geschäft von Marxisten, „ihre“ herrschende Klasse darüber zu beraten, mit wem sie sich verbünden soll. Wir rufen auf zu internationalen Arbeiteraktionen in Verteidigung der Palästinenser gegen die zionistischen Unterdrücker, und streben danach die Imperialisten durch internationalistischen Klassenkampf zu besiegen, auch im Bündnis mit antizionistischen israelischen Arbeitern und Linken.

Darüber hinaus ist die gesamte Prämisse falsch. Das Modell ist die Kampagne von Boykott, Sanktionen und Desinvestition gegen die südafrikanische Apartheid. Jedoch waren es weder amerikanische Investoren, die keine Krüger-Rands mehr kauften, noch die BBC, die keine Sendelizenzen mehr erteilte, die das rassistische Regime zu Fall brachten. Vielmehr waren es grundlegende Verschiebungen im weltweiten Kräfteverhältnis, sowie scharfe soziale und Klassenkämpfe in Südafrika. Eine massive Streikwelle erzwang erhebliche Zugeständnisse von den Bossen, was im Zusammenspiel mit Volkserhebungen eine Bedrohung für ausländische Investitionen darstellte, und somit auch für imperialistische Interessen. Unterdessen bedeutete der Zerfall des Sowjetblocks, dass sich die „kommunistische Gefahr“ in Südafrika qualitativ verringerte.

Die USA und andere Mächte begannen, Druck auf ihre rassistischen Verbündeten in Südafrika auszuüben, um das Land für den Kapitalismus zu retten. Der daraus resultierende Deal zur Machtteilung mit dem African National Congress hat genau das erreicht: Während die gesetzliche Apartheid abgeschafft wurde, sind die schwarzen Massen noch immer Opfer von Superausbeutung durch die gleiche lokale weiße Kapitalistenklasse (jetzt mit einigen schwarzen kapitalistischen Strohmännern) und deren imperialistischen Oberherren, wie das Massaker 2012 an schwarzen Bergarbeitern durch die ANC-Regierung zeigte.

Tatsächlich sind weder Südafrika noch Israel „koloniale Siedlerstaaten“, wo Siedler als Agenten der Kolonialherren fungieren (und wieder in die imperialistische Metropole zurückkehren könnten, wenn sie diesem Zweck nicht mehr dienen, wie es die französischen Colons nach der algerischen Unabhängigkeit taten). Das südafrikanische Apartheid-Regime wollte eine permanente schwarze Arbeiterklasse schaffen, ausgebeutet von weißen Kapitalisten. Dem entgegen ist das Ideal des zionistischen Staates ein homogener jüdischer Nationalstaat mit einer jüdischen Arbeiterklasse. Das bedeutet, so viele Araber aus der israelischen Wirtschaft auszuschließen, wie möglich.

PalestiniansPalästinensische Arbeiter warten eingepfercht auf Durchlass am israelischen Checkpoint Tarqumiya im besetzten Westjordanland. (Foto: Emil Salman)

Ein Apartheid-ähnliches Regime setzt ­Israel im besetzten Westjordanland durch. Die faschistoiden zionistischen Siedler in den besetzten Gebieten wollen stattdessen eine „Säuberung“ von dem, was sie Judäa und Samaria nennen, also die Vertreibung der gesamten palästinensisch-arabischen Bevölkerung, euphemistisch „Transfer“ genannt. Trotzkisten fordern den Abzug der israelischen Armee und aller zionistischen Siedlungen aus den besetzten Gebieten, um das palästinensische Volk zu verteidigen und die Besatzung zu beenden.

Für einen arabisch/hebräischen ­Arbeiterstaat in einer
sozialistischen Föderation des Nahen Ostens!

Die Gründung Israels war das Ergebnis des Völkermord an sechs Millionen Juden durch den deutschen Imperialismus im Zweiten Weltkrieg. Zu diesem abscheulichen Verbrechen kam die Ablehnung der imperialistischen Alliierten, jüdische Flüchtlinge aufzunehmen. Israels „Unabhängigkeitskrieg“ von 1948 beinhaltete die absichtliche Vertreibung hunderttausender Araber. Viele landeten in Flüchtlingslagern, nicht nur im Westjordanland und in Gaza, sondern auch in benachbarten Ländern wie dem Libanon und Jordanien, wo sie und ihre Nachkommen sich bis heute befinden, brutal unterdrückt von den jeweiligen arabischen Herrschern.

Die Tatsache ist, dass eine hebräischsprachige Nation geschmiedet wurde durch die Enteignung der palästinensischen Araber, die durch die bittere Erfahrung von Unterdrückung ebenfalls zu einer Nation geworden sind. Die Existenz dieser beiden Nationen als Resultat monströser historischer Verbrechen ist eine vollendete Tatsache. Dies ist kaum einmalig. Die amerikanische Nation entstand aufbauend auf dem Völkermord an den Ureinwohnern und der Versklavung der Afro-Amerikaner. Marxisten teilen die Welt nicht in „gute“ und „schlechte“ Nationen, wir erkennen das demokratische Recht auf Selbstbestimmung aller Nationen an, und stellen allen nationalistischen Ideologien das Programm von revolutionärem internationalistischen Klassenkampf entgegen.

In einer Situation wie in Palästina, mit einander durchdringenden Bevölkerungen und zwei Nationen, die Anspruch auf das gleiche winzige Stück Land erheben, kann es keine gerechte Lösung für ihre konkurrierenden nationalen Rechte innerhalb des Kapitalismus geben. Kapitalismus basiert auf dem Nationalstaat, der die ausbeuterische Herrschaft der jeweiligen nationalen Bourgeoisie gewährleistet. Trotzkisten lehnen einen „jüdischen Staat“ und alle theokratischen und religionsbasierten Staaten ab, genauso wie wir gegen islamische Republiken oder erklärtermaßen christliche Staaten wie Vichy-Frankreich oder Francos Spanien sind.

Darüber hinaus war die mittlerweile tote „Zweistaatenlösung“ des Oslo-Abkommens immer eine Formel für die Unterdrückung der Palästinenser. Im Kapitalismus wird die stärkere Staatsmacht vorherrschen, in diesem Fall Israel. Wer kontrolliert das Wasser des Jordan? Wer bekommt das Öl? Macht wird entscheiden. Eine „Ein-Staat-Lösung“ eines „demokratischen und säkularen Palästinas“ im Kapitalismus ist ein Wunsch­traum, da die zionistischen Unterdrücker Angst haben, dass, wenn sie in der Unterzahl und überwältigt sind, ihre ehemaligen Opfer sie genau so brutal behandeln würden, wie sie es seit 70 Jahren mit den Palästinensern gemacht haben. Die Liga für die Vierte Internationale kämpft für arabisch/hebräische Arbeiterrevolution.

Wir meinen, dass die einzige gerechte Lösung eine sozialistische Revolution ist, die eine kollektivierte Wirtschaft im gesamten Nahen Osten etabliert. In Palästina kann dies nur durch gemeinsame Anstrengungen der arabischen und hebräischen Arbeiter zustande kommen. Eine separate israelische Revolution, die die zionistischen Schlächter zur Verantwortung zieht, ist unvorstellbar. Aber die verarmten palästinensischen Massen und eine hebräischsprachige Arbeiterklasse, die es Leid ist, in einem Garnisonsstaat unter ständiger Bedrohung durch einen weiteren Krieg zu leben, könnten sich gemeinsam durchsetzen. Der erste Schritt in diese Richtung muss ein Kampf dafür sein, jüdische Arbeiter für die Verteidigung der belagerten Palästinenser gegen die zionistischen Unterdrücker zu gewinnen. Dazu gehöen die Forderungen nach vollen demokratischen Rechten für Palästinenser in Israel und nach dem Rückzug der Truppen und Siedler aus dem besetzten Westjordanland.

Vor allem ist es notwendig den Imperialismus durch internationale sozialistische Revolution zu zerschlagen, besonders in den imperialistischen Hauptzentren: die USA und das deutsch-dominierte Europa. Palästina wird wahrscheinlich nicht der erste Ort auf dem Planeten sein, wo der Sozialismus sich durchsetzen wird. Aber eine Welle revolutionärer internationalistischer Kämpfe in der Region und anderswo könnte durchaus israelische Arbeiter vom Zionismus brechen und Palästinenser vom arabischen Nationalismus. Die LVI strebt nach einer arabisch/hebräischen trotzkistischen Partei zur Führung des Kampfes für einen binationalen arabisch/hebräischen Arbeiterstaat, als Teil einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens. Diese Perspektive bietet eine Grundlage dafür, an diesem Kreuzweg der Zivilisationen die Arbeiter unterschiedlichster nationaler, ethnischer und religiöser Gruppen zu vereinen. Dann können wir wirklich die Wüste zum Blühen bringen.

„Antideutsche“ Hexenjäger unterstützen
Zionismus und deutschen Imperialismus

Ex-linke „Antideutsche“ marschieren für Unterstützung des kapitalistischen Staats Israel, Staatsraison des deutschen Imperialismus. (Foto: dpa)

Die „Antideutschen“ sind eine politische Strö­mung, die aus Ex-Linken hervorging, die nach der Annexion der Deutschen Demokratischen Republik (DDR, ein bürokratisch-­deformierter Arbeiterstaat) durch das imperialistische Westdeutschland 1990 rapide nach rechts gingen. Anderswo in der Welt wandten sich solche Strömungen in der Regel der Sozialdemokratie zu, oder fanden ihren Weg in den bürgerlichen Mainstream, oft mittels der jeweiligen Grünen Partei. In Deutschland hat sich eine Fraktion, die sich weiterhin als „links“ oder gar „kommunistisch“ bezeichnete, dem zionistischen Israel zugewandt, als vermeintlich „sicheren Hafen“ für die Juden, und trat öffentlich für imperialistische Interventionen im Nahen Osten ein.

So unterstützten die „Antideutschen“ rund um die Zeitschrift Konkret grotesker Weise den US-geführten Golfkrieg gegen den Irak 1991, der von Deutschland finanziell gesponsert wurde, aus Solidarität mit Israel. 2000 unterstützten sie die zionistische Unterdrückung der zweiten palästinensischen Intifada gegen die israelische Besatzung. Nach dem 11. September 2001, den Angriffen auf das World Trade Center und das Pentagon, standen die „Antideutschen“ Gewehr bei Fuß für den imperialistischen „Krieg gegen Terror“, wetterten gegen „Islamfaschisten“ und unterstützten die Kriege gegen Afghanistan und Irak. Im Vorfeld der US-Invasion von 2003 war Konkret-Herausgeber Hermann Gremliza für einen israelischen nuklearen Erstschlag gegen den Irak. Heute ist der ehemalige „antideutsche“ Guru und Konkret-Autor Jürgen Elsässer Chef von Compact, dem Breitbart-Äquivalent der deutschen Rechten.

Es wäre einfach, die „Antideutschen“ und ihr wirres Gezeter abzutun, wäre da nicht die Tatsache, dass sie ihre pro-imperialistische Politik in die Tat umsetzen durch Angriffe auf Linke und Immigranten. Während die deutsche Bundeswehr dabei half, Afghanistan zu bombardieren, und die Daten zehntausender muslimischer Männer von Universitäten und anderen öffentlichen Einrichtungen in einer rassistischen „Rasterfahndung“ an die deutsche Polizei übergeben wurden um „Schläfer“ zu finden, beschimpften die „Anti­deutschen“ die Anti-Kriegs-Bewegung als „antisemitisch“, und überfielen Linke und Immigranten, vor allem an Unis. In letzter Zeit konzentrierten sich die „Antideutschen“ auf Hetzkampagnen in denen sie pro-palästinensische Gruppen und Einzelpersonen als „Antisemiten“ diffamieren und dann deren Zensur und Rausschmiss fordern.

Tatsächlich reflektieren die „Anti­deutschen“ die Staatsräson des „Vierten Reichs“ des deutschen Imperialismus, des selbst erklärten Rechtsnachfolgestaats des Dritten Reichs der Nazis. Die deutsche herrschende Klasse, die ihre Kontinuität wahrte, selbst als das Hitler-Regime zusammenbrach, bewaffnet und finanziert das zionistische Israel bis zum Abwinken und benutzt den Mythos der „Kollektivschuld“, der Lüge, dass alle Deutschen verantwortlich für den Holocaust der Nazis waren, um die deutsche Bourgeoisie von ihrer Schuld am Völkermord an sechs Millionen Juden und Millionen anderen weißzuwaschen (und, um ihre hartnäckige Weigerung zu entschuldigen, jüdische Überlebende von Vernichtungslagern und Zwangsarbeit zu entschädigen).

Nach 1945 herrschte weiterhin die „Bourgeoisie von Auschwitz“ – die Stahlbarone von Krupp und Thyssen, die Automagnaten Daimler und Popp, die Banker, die Hitler finanzierten – durch ihre handverlesenen Kanzler. Der „entnazifizierte“ Banker Hermann Josef Abs hatte Konrad Adenauer, Alfred Herrhausen hatte Helmut Kohl, und Josef Ackermann hatte Angela Merkel. Das Offizierskorps blieb intakt und die Wehrmacht wurde als Bundeswehr wiederaufgebaut, während viele Nazi-Schergen in den höchsten Rängen des Bundeskriminalamts (BKA) und des Bundesnachrichtendiensts (BND) landeten. Und heute nutzen „Antideutsche“ und rechte deutsche Nationalisten Zensurgesetze um Linke und Unterstützer der Palästinenser wegen angeblich „antisemitischer“ Äußerungen zu verfolgen.