20. August 2017
Gründungserklärung der Internationalistischen Gruppe
100 Jahre nach der russischen Oktoberrevolution erklären wir hiermit die Gründung der Internationalistischen Gruppe, deutsche Sektion der Liga für die Vierte Internationale, als Nukleus einer dringend nötigen revolutionär-internationalistischen Arbeiterpartei. Wir unternehmen diesen Schritt inmitten einer kapitalistischen Wirtschaftskrise, die die ganze Welt erfasst, ohne dass ein Ende in Sicht wäre. Diese Krise ist besonders akut in Europa, ihre verheerenden Auswirkungen spüren die Werktätigen und Unterdrückten von Britannien bis Griechenland. Die Folge ist das Aufleben von rechtspopulistischen und faschistischen Kräften, aber auch ein Wiederauftauchen von Reformisten alter Schule, wie Jeremy Corbyn in der Labour Party, die aber nicht im Stande sind, den verfaulenden Kapitalismus zu retten.
Die zugespitzte Lage verlangt dringend nach einer revolutionären Führung, nicht zuletzt im Herzen des deutschen Imperialismus, der das politische und wirtschaftliche Zentrum Europas ist. Solch eine Führung kann nicht einfach aus dem Nichts entstehen, sondern muss auf den politisch-programmatischen Errungenschaften des revolutionären Marxismus stehen – d.h. Trotzkismus. Das Gründungsdokument von Leo Trotzkis Vierter Internationale, das Übergangsprogramm, erklärte, dass die Bedingungen eigentlich reif sind für Revolution (mit einem Kapitalismus, der schon längst seine Fortschrittlichkeit verloren hat und die Welt wieder und wieder mit Kriegen und Krisen überzieht), dass die Krise der Menschheit sich auf die Krise der revolutionären Führung reduzieren lässt, also den Aufbau revolutionärer Parteien weltweit. Alle möglichen ex-trotzkistischen Revisionisten haben diese These als veraltet verworfen – und damit auch die Möglichkeit von proletarischer Revolution.
Dies fällt besonders auf bei der Internationalen Kommunistischen Liga (in Deutschland Spartakist-Arbeiterpartei), die drei Jahrzehnte lang das Programm des Trotzkismus verteidigte. Jedoch nach der Zerstörung der Sowjetunion und der deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas (1989-92), was eine welthistorische Niederlage des Proletariats darstellte, ist die IKL im Angesicht einer Welle von bürgerlichem Triumphalismus über den „Tod des Kommunismus“ in völligen Defätismus verfallen. In Deutschland, wo nur sie konsequent gegen die kapitalistische Konterrevolution/Wiedervereinigung kämpfte, war die Abkehr von einer revolutionären Perspektive besonders akut spürbar, was 1995 zu einer scharfen internen Auseinandersetzung führte.
Gleichzeitig mit einer Reihe von Ausschlüssen von langjährigen Kadern international, und als Bestandteil dieses Kampfes und als Rechtfertigung ihrer Flucht aus dem Klassenkampf in den Abstentionismus, hatte die „neue Leitung“ plötzlich entdeckt, dass das Bewusstsein des Proletariats weltweit einen „qualitativen Rückschritt“ erlitten habe. Die ausgeschlossenen IKL-Kader ließen sich nicht demoralisieren, sondern bildeten die Liga für die Vierte Internationale (mit Sektionen in Brasilien, Mexiko und den USA), um das Programm des Trotzkismus für sozialistische Weltrevolution weiterzutragen.
In den folgenden Jahren hat die IKL eine trotzkistische Position nach der anderen revidiert, bis sie 2010 die US-Invasion von Haiti unterstützte (als angebliche Rettungsaktion nach dem Erdbeben). Diesen Verrat musste die IKL selbst einige Monate später als „sozialimperialistischen Verrat“ widerrufen. Später führte die zunehmend sozialchauvinistische Position der IKL-Führung in der Flüchtlingskrise, wo sie sich weigerten, den Ruf nach Asyl für u.a. syrische Flüchtlinge aufzunehmen, zu einem Ausbruch von internen Kämpfen.
Die Gründung der Internationalistischen Gruppe in Deutschland, sowie unserer Schwesterorganisation Nucleo Internazionalista d’Italia letztes Jahr, geht auf diesen letzten Verrat zurück, sowie auf den Ausschluss der Genossen der Better-Late-Then-Never Faction aus der Spartacist League/U.S. 2016. All diese Genossen, langjährige IKL-Kader, schlossen sich der LVI an, weil diese das Programm vertritt, für dessen Umsetzung sie eigentlich in die IKL eingetreten waren. Gemeinsam wollen wir in die Kämpfe der Arbeiter und Unterdrückten intervenieren, um ihre Tageskämpfe mit der Perspektive von sozialistischer Revolution zu verknüpfen – im Gegensatz zu diversen Pseudo-Trotzkisten, die soziale und Klassenkämpfe in bürgerlich-parlamentarische Bahnen umleiten wollen.
Überall ist die Notwendigkeit von leninistisch-trotzkistischen Parteien für die Ausweitung und Vertiefung aktueller Kämpfe deutlich zu sehen. Während ein Großteil der Linken dem Hochstapler Alexis Tsipras in Griechenland nachtrabte und sein Referendumsmanöver mitmachte, durchbrach die LVI das zynische Spiel der Regierung. Gegen die Sozialkahlschlagspläne von sowohl der Frankfurter Banker und EU-Bürokraten, als auch der bürgerlich-populistischen SYRIZA-Regierung, rief die LVI zur Besetzung der Betriebe, Häfen, Krankenhäuser usw. auf. In den USA kämpfen unsere Genossen in den Gewerkschaften für Arbeitermobilisierungen, um rassistische und faschistische Provokationen zu stoppen. So z.B. in Portland, wo sie am 4. Juni bereits hunderte Gewerkschafter und Unterstützer aus mindestens 14 Gewerkschaften gegen eine Kundgebung von Rassisten und Faschisten initiiert haben.
In Deutschland hat die große Mehrheit der Linken sich der sozialdemokratischen Linkspartei untergeordnet (entweder direkt als Teil der Mitgliedschaft, oder als externe Druckgruppen), die den kapitalistischen Staat auf Landesebene mitverwaltet – also Angriffe auf Gewerkschaften mitträgt, genauso wie rassistische Abschiebungen. Um Abschiebungen von Flüchtlingen zu stoppen, um die ständigen Nazi-Provokationen zu unterbinden, oder um den riesigen Niedriglohnsektor zurückzukämpfen, muss die soziale Macht der Arbeiterklasse mobilisiert werden. Dies kann nur eine authentische bolschewistische Partei leisten, die den Reformismus und Protektionismus der sozialdemokratischen Gewerkschaftsirreführer politisch bekämpft, und die Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa entgegensetzt. Den Kern dieser Partei aufzubauen, ist die Aufgabe, die sich die Internationalistische Gruppe stellt, im Kampf für die Wiederschmiedung der Vierten Internationale, Weltpartei der sozialistischen Revolution. ■