Sommer 2017
Vorwärts zur Wiederschmiedung der 4. Internationale, Weltpartei der sozialistischen Revolution!
Zurück zum Trotzkismus!
Offener Brief von Giulia und Carlo, 11. Mai 2016
Die Autoren dieses Dokuments haben seit seiner Veröffentlichung die Gruppe Nucleo Internazionalista d'Italia gegründet, Sektion der Liga für die Vierte Internationale.
Wir erklären unsere politische Solidarität mit der Liga für die Vierte Internationale (LVI), die die Fortführung des Spartacismus vor seiner Degeneration darstellt, und wollen kämpfen, um beim Wiederschmieden der Weltpartei der sozialistischen Revolution, der Vierten Internationale, zu helfen. Mit 21 bzw. 27 Jahren in der Spartacist-Tendenz waren wir von 1993 bis 1999 die anerkannten Führer der Lega Trotskista d'Italia (LTd'I), italienische Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga (IKL). In dieser Zeit gab es die Volksfrontregierung von Prodi/Rifondazione Comunista (RC), die mit dem Abgang von RC (aufgrund von Massenaustritten an der wütenden Basis) im Oktober 1998 zerfiel, sowie das imperialistische Massaker in Serbien, das breiten Protest und Widerstand in Italien hervorrief. Mit einer Politik von proletarisch-politischer Opposition gegen alle Volksfronten, basierend auf dem Programm des revolutionären Trotzkismus, verdoppelte die LTd'I in zweieinhalb Jahren ihre Größe, gründete eine Ortsgruppe in Neapel, hatte Kontakte von Apulien bis in die Schweiz, drängte die Pseudo-Trotzkisten in die Defensive und arbeitete erfolgreich daran, die Organisation deutlich zu vergrößern.
Dann kam 1999 der Dolchstoß in den Rücken durch die internationale IKL-Führung, die eine zweijährige Hexenjagd gegen uns lostrat, uns nach New York schickte, die Neapel-Ortsgruppe liquidierte und die Arbeit völlig sabotierte. Diese ungemeine Gelegenheit für wesentliches Wachstums wurde völlig verschwendet. Die IKL rügte uns dafür, nicht das Verständnis der „neuen Periode“ nach den kapitalistischen Konterrevolutionen in der Sowjetunion und den osteuropäischen deformierten Arbeiterstaaten, sowie des neuen „qualitativen historischen Rückschritts im politischen Bewusstsein der Arbeiterklasse und Linken weltweit“ in die Sektion zu bringen. Das war die Version der IKL-Führung vom bürgerlichen „Tod-des-Kommunismus“-Mythos, der durch den Großteil der Linken fegte, was zu verstehen wir versäumten. Seit wir heraus gezwungen wurden, war die LTd'I über die folgenden 17 Jahre eine sterbende Organisation, eine leere Hülle ihres früheren Selbst, die in letzter Zeit etwa eine Ausgabe des Spartaco pro Jahr veröffentlichte (überwiegend aus Übersetzungen bestehend), und nicht in den Klassenkampf interveniert.
Von 1999-2001 wurden wir Opfer einer politischen Hexenjagd, die in einer „Untersuchung“ der Internationalen Kontrollkommission (IKK) mündete, inklusive grotesker Anschuldigungen der Vortäuschung von Krankheit (Krebs), der Erhebung falscher „Anschuldigungen“ gegen die IKL-Führung und des Versteckens politischer Differenzen. Es war ein übles, abgekartetes Spiel von Anfang bis Ende. Nicht nur wir sagen das: 2004 führte die IKL eine weitere „IKK-Untersuchung zur Wiedereröffnung der IKK-Untersuchung von Oktober 2001“, die verkündete, dass „die Ergebnisse der IKK vom Oktober 2001 auf manipulierten Beweisen beruhten und daher nicht als gültig angesehen werden können“. Sie ging noch weiter und kam zu dem Schluss:
„In einfachen Worten ausgedrückt, ist die Frage, ob Carlo und Giulia einer bürokratischen Hexenjagd ausgesetzt wurden. Die Antwort ist ja, mit der Konsequenz, dass diese Genossen mit Verachtung und Feindseligkeit behandelt wurden, ausgedrückt dadurch, sie von ihren Aufgaben in Italien zu entbinden... Die Aufzeichnungen zeigen, dass Carlos und Giulias ‚Verbrechen' in ihrer Weigerung bestand, politischen Schlussfolgerungen und Charakterisierungen zuzustimmen, auf denen vor allem die damalige I.S.-Sekretärin [Internationales Sekretariat] bestand und die von anderen Mitgliedern des I.S. und IEK [Internationales Exekutivkomitee] unterstützt wurden, über ihre politischen Ansichten und die Arbeit der LTd'I, die in wichtigen Einzelheiten tatsächlich grobe Übertreibungen oder regelrechte Fälschungen waren.“
Wenngleich auch die Beweise schmerzhaft detailiert vorgelegt wurden, kam der Bericht zu dem Schluss, dass „der in der IKK dokumentierte Schaden, der der IKL durch den bürokratischen Missbrauch zugefügt wurde, unumkehrbar ist“. Dies könnte als eine ehrliche Aufarbeitung erscheinen, aber tatsächlich diente es der fortgesetzten Vertuschung der Vergehen. Obwohl dieses Dokument vor über 11 Jahren in einem internen Bulletin erschien, wurden wir nie darüber informiert, dass die Anklagen gegen uns für falsch befunden wurden. Erst nachdem wir in Kontakt mit der LVI traten, erfuhren wir von ihnen über die „Neuuntersuchung der Untersuchung“ und konnten das belastende Bulletin lesen. Eine bemerkenswerte Tatsache ist, dass die Methoden, die gegen uns eingesetzt wurden, denen so ähnlich waren, die 1996/97 in der Säuberung gegen die IKL-Kader eingesetzt wurden, die später die Internationalist Group und LVI gründen sollten. Aber die wichtigste Erkenntnis ist die, dass der bürokratische Missbrauch und die politische Feigheit der heutigen IKL das Ergebnis davon sind, das authentische trotzkistische revolutionäre Programm aufzugeben, für das wir jahrzehntelang kämpften, und für das wir den Kampf heute wieder aufnehmen.
IKL erleidet qualitativen historischen Rückgang des Bewusstseins
Nachdem sie drei Jahrzehnte lang die revolutionäre Kontinuität des Trotzkismus bewahrte, zog die IKL defätistische Schlussfolgerungen aus der welthistorischen Niederlage, die die konterrevolutionäre Zerstörung der Sowjetunion bedeutete. Während diese sehr wohl Auswirkungen auf das Bewusstsein der Arbeiter hatte, wenn auch ungleichmäßig, ist es die IKL (sowie andere opportunistische Linke), die den qualitativen historischen Rückgang von revolutionärem Bewusstsein erlitten hat, den sie der Arbeiterklasse zuschreibt. Ist es die Arbeiterklasse, die beschlossen hat, dass ihre Kämpfe nichts mehr mit dem Endziel des Sozialismus zu tun haben? Nein, es ist die Internationale Kommunistische Liga. Diejenigen, die bereit sind, sich die Mühe zu machen, sollten die Thesen des Internationalen Exekutivkomitees vom Januar 1996 lesen.
Wir waren nicht die ersten, die die Konsequenzen dieser politischen Degeneration der IKL erlebten. Natürlich wussten wir, dass die Organisation sich bürokratisiert hatte, aber eine Zeitlang hatten wir große Schwierigkeiten, damit umzugehen. Mit der Zeit begann die Anhäufung von programmatischen Revidierungen das Bild zu vervollständigen – wobei besonders die Unterstützung der IKL für die imperialistische US-Invasion von Haiti 2010 zu erwähnen ist. Unterdessen gründeten die langjährigen Kader, die 1996/97 aus der IKL ausgeschlossen wurden, die Liga für die Vierte Internationale und haben in der Aktion dafür gekämpft, eine Avantgarde des Proletariats aufzubauen. Wir schließen uns ihnen jetzt an, auf Basis des Programms, für das wir alle gekämpft haben. Im Laufe der Jahre, obwohl klein, ist die LVI mit dem Klassenkampf gewachsen, während die IKL sich aus dem Klassenkampf zurückzog und damit begann, immer mehr programmatische Positionen des Trotzkismus zu verraten (nicht nur in Aktion, bzw. eher Inaktion, sondern auch formal kodifiziert). Der rote Faden dem die Degeneration der IKL folgte, war die Kapitulation vor der eigenen Bourgeoisie und den eigenen imperialistischen Herrschern:
- Aufgabe und Verrat des Kampfs die Polizei aus den Gewerkschaften in Brasilien zu werfen (1996)
- Einstellen des Kampfs gegen die Volksfront in Mexiko, bzw. Leugnung, das diese überhaupt existiert (1997)
- die sozial-kolonialistische Position, den Ruf nach Unabhängigkeit fallen zu lassen für Puerto Rico (1998) und für die französischen Kolonien Guadeloupe und Martinique (2009)
- Fallenlassen des Rufs nach der Niederlage des eigenen Imperialismus (nach dem 11. September 2001)
- Fallenlassen der Forderung nach Boykott militärischer Güter durch Transportarbeiter in Kriegszeiten (2002)
- Fallenlassen des Aufrufs zu Streiks gegen den Krieg, weil „er keine Resonanz in der Arbeiterklasse hat“ (Höhepunkt 2008)
- die dreimonatige Unterstützung für die brutale imperialistische US-Invasion von Haiti, die die IKL lautstark verteidigte (2010)
In letzter Zeit erhob die IKL in Griechenland die Forderung nach einer amorphen „Regierung, die im Interesse der Werktätigen handelt und diesen gegenüber verantwortlich ist“ (2015). Dies ist die typische Art vager Formulierungen, die von unzähligen zentristischen und reformistischen Gruppen benutzt wurden, um zur Unterstützung bürgerlicher Regierungen aufzurufen, was zu blutigen Niederlagen in Chile 1973 und im Spanischen Bürgerkriegs 1936-39 führte, und auch die Position der Menschewiki 1917 war. Die De-facto-Forderung der IKL nach einem Grexit (Ausstieg Griechenlands aus dem Euro und der Europäischen Union) unter bürgerlicher Herrschaft – wobei Griechenland zu einem solchen Schritt gezwungen sein könnte – ist wohl kaum ein revolutionäres Programm. Sie könnte den Kampf unterminieren, die europäischen Arbeiter gegen den kapitalistischen Sozialkahlschlag zu vereinen, um das Europa der Banker und Militaristen mit einem roten Europa der Arbeiterräte zu ersetzen – durch sozialistische Revolution auf dem ganzen Kontinent und darüber hinaus. Hinter der Fixierung der IKL auf diesen Punkt liegt die Überzeugung, dass eine solche Revolution heute unmöglich ist. Die LVI kämpft für Arbeiterrevolution, innerhalb oder außerhalb der EU.
In einem anderen Schlüsselkonflikt der letzten Jahre hat die LVI korrekt darauf bestanden, dass in Syrien und der Region der Imperialismus der Hauptfeind ist, der besiegt und verjagt werden muss, und gleichzeitig gewarnt, dass jedes Bündnis mit den US/NATO-Imperialisten selbstmörderisch ist. Jeder tatsächliche Schlag gegen die Imperialisten, inklusive durch die vollkommenen Reaktionäre des Islamischen Staats, ist im Interesse der werktätigen Menschen weltweit. Aber der grundlegende Charakter der Kämpfe in Syrien und im Irak ist nach wie vor der eines sektiererischen Bürgerkriegs, in dem Trotzkisten sich gegen alle Seiten stellen. Der Sieg der einen wie der anderen Seite in diesem Bürgerkrieg bedeutet ein Blutbad an den eroberten Bevölkerungsgruppen. Während die IKL dem IS militärische Unterstützung gegen den Imperialismus „und seine Verbündeten“ gibt, sind die unmittelbaren Ziele des heiligen Kriegs des IS die schiitischen, jesidischen, christlichen und kurdischen Bevölkerungsgruppen in Syrien und dem Irak. Zu behaupten, dass ein Sieg des IS gegen die Kurden, unvermeidlich einhergehend mit einem Blutbad und der Rückkehr zu den unterdrückerischen gesellschaftlichen Normen des achten Jahrhunderts, ein Schlag gegen den US-Imperialismus wäre, ist nicht nur falsch, sondern zeigt eine gefühllose Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der neokolonialen Völker und Frauen.
Internationalistische Kommunisten kämpfen dafür, all die islamistischen bewaffneten Banden durch Arbeiteraktion zu zermalmen – vor allem mit Blick auf das millionenstarke türkische, kurdische und ägyptische Proletariat. Durch einen scharfen Kampf gegen imperialistischen Krieg können militante Teile der italienischen Arbeiterklasse diesbezüglich eine führende Rolle spielen, indem sie für volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten und Asyl für alle Flüchtlinge eintreten, die durch Arbeiteraktionen und den Kampf für sozialistische Revolution beiderseits des Mittelmeers errungen werden müssen.
Das Aufgeben des revolutionären Programms durch die IKL hatte auch einen direkten Effekt in Italien. Die LTd'I vertritt jetzt den Standpunkt, dass „die Arbeiterklasse nach dem Zusammenbruch der UdSSR keine Vorstellung von jedweden Alternativen zur kapitalistischen Gesellschaft hat“. Und weil ein echter Generalstreik (keine vier-, oder acht-, oder 24-stündige Arbeitsniederlegung plus Demo), die Frage stellen würde, welche Klasse herrscht, und weil Pseudo-Linke oft einen Generalstreik als Vorstufe zu einer Volksfront mit Teilen der Bourgeoisie fordern, ist es falsch zu Generalstreiks aufzurufen. Dies engstirnige Wortklauberei zu nennen, wäre eine höfliche Untertreibung. Aber wenn die werktätigen Massen gegen Angriffe des Kapitals kämpfen wollen und sich an der Basis Druck aufbaut, und wenn sich die Bürokraten aus Angst vor den Konsequenzen diesem Druck widersetzen, müssen Revolutionäre ein Programm für die umfassende Mobilisierung der Arbeiterklasse vorschlagen, mit dem Ziel der sozialistischen Revolution, und gleichzeitig Versuche bekämpfen, die Wut in eine Volksfront umzulenken. Dies unter diesen Umständen nicht zu tun, bedeutet den reformistischen Irreführer zu helfen.
Generalstreik (den die revolutionären Syndikalisten idealisierten) und sogar Fabrikbesetzungen sind kein Allheilmittel, wie die tragischen Erfahrungen von Italiens Biennio Rosso von 1919/20 zeigten. Sie können jedoch wichtige Schritte zur Revolution sein. Um die Arbeiterklasse darauf vorzubereiten, in solchen Fällen um den Sieg bereits begonnener Schlachten zu kämpfen, ist es notwendig, für ein Übergangsprogramm von Arbeiteraktionen zu argumentieren, die zur Bildung einer Arbeiterregierung basierend auf Arbeiterräten führen, dem Beginn der sozialistischen Revolution. Revolutionäre fordern Arbeiterverteidigungsgruppen, Verteidigung von Immigranten, gewählte Streikkomitees (aus denen Arbeiterräte werden könnten), und einen umfassenden Generalstreik, zusammen mit anderen Übergangsforderungen. Aber der Schlüssel zum Sieg ist der Aufbau einer revolutionären Arbeiterpartei, die als Tribun aller Unterdrückten handelt, und unverzichtbar dafür ist, den Kampf vorwärts zu führen.
Die Nachhut des Proletariats zu spielen, während die Arbeiter nach vorne drängen um zu kämpfen, ist nicht neu für die IKL, sondern exemplarisch für ihren allgemeinen Rückzug aus dem Klassenkampf. Ein Beispiel hat besonders unsere Aufmerksamkeit erregt: Im Dezember 2005 gab es eine äußerst wichtige gewerkschaftliche Kraftprobe in New York City, als die strategisch bedeutende und mächtige U-Bahn- und Transportarbeiter-Gewerkschaft TWU in den Streik trat. Die Spartacist League (US-Sektion der IKL) hatte vorher nicht zum Streik aufgerufen, und hatte während des Streiks den Top-Gewerkschaftsbürokrat Toussaint in ihrem Flugblatt an die Gewerkschaftsmitglieder nicht kritisiert. Später, als ein kritischer Leser diese Politik in einem Brief hinterfragte (veröffentlicht in Workers Vanguard Nr. 872, Juni 2006), antwortete WV: „Das Flugblatt hat Toussaint nicht direkt angegriffen. Da wir auf keine alternative Führung des Streiks verweisen konnten, hätte dies nur den Streik geschwächt.“
Der IKL zufolge, schwächt es also einen Streik, wenn man die Gewerkschaftsbürokraten während des Streiks kritisiert! Das ist die Logik aller Opportunisten. Doch diese Führung hat den Streik ausverkauft, der das internationale Zentrum des Finanzkapitals lahmlegte, und führte zu einer Niederlage an der die IKL mit ihrem pro-bürokratischen Abstentionismus tatsächlich mitschuldig ist. Darüber hinaus ist die TWU eine der sehr wenigen Gewerkschaften, in der die SL Unterstützer hat, und trotzdem sagt sie, dass sie „auf keine alternative Führung“ verweisen konnte. Dies ist ein Eingeständnis, dass die IKL dem Kampf um revolutionäre Führung in den Gewerkschaften entsagt hat – eine bewusste Politik. Im Gegensatz dazu verteilte die Internationalist Group, US-Sektion der LVI, jeden Tag auf den Streikposten tausende Exemplare ihres täglichen Streik-Bulletins um für Klassenkampf-Aktionen zu agitieren (siehe Artikel aus The Internationalist auf www.internationalist.org/nyctransitstriketoc.html).
Während die IKL 1996 den Kampf, die Polizei aus den Gewerkschaften in Brasilien zu entfernen verriet, den Genossen ein Messer in den Rücken rammte und zusammen mit den Kräften der Volksfront disen Kampf verleumdete, hat die LVI dabei geholfen den Kampf fortzusetzen und mit den Genossen der Liga Quarta-Internacionalista do Brazil fusioniert. Während die IKL-Sektion in Mexiko während des historischen Streiks an der UNAM-Universität 1999/2000 vorsätzlich passiv blieb, initiierte die winzige LVI-Gruppe die Bildung von Arbeiterverteidigungsgruppen zum Schutz der Besetzung gegen Polizeiangriffe und wuchs deutlich. Nach den Interventionen in die Revolte im Süden Mexikos (Oaxaca) 2006 und in andere Kämpfe, hat die Grupo Internacionalista/Mexico der LVI mittlerweile vier Ortsgruppen in verschiedenen Städten während die IKL-Sektion stagniert.
Während die LVI in den USA fünf Jahre lang agitierte und arbeitete um den historischen Hafenstreik gegen den Krieg an der Westküste am 1. Mai 2008 herbeizuführen, tat die IKL nichts um zu mobilisieren, und beschränkte ihre Bemühungen darauf, den Streik hinterher zu verhöhnen. Später, 2012, fusionierte die LVI mit einer Gruppe von Arbeiteraktivisten in Portland, die dort, während des kurzen Aufschwungs der populistischen Occupy-Bewegung, eine wichtige Rolle gespielt hatten den Hafen lahmzulegen. Während die Büro-gebundene SL in New York eine vernachlässigbare öffentliche Präsenz hat (vielleicht ist sie zu „beschäftigt“ damit, am laufenden Band interne Bulletins darüber zu produzieren, wie die heutige Jugend sich nicht mal mehr eine sozialistische Gesellschaft vorstellen kann), gewann die IG/LVI revolutionäre Kader unter immigrierten Arbeitern, die die Unorganisierten organisieren, gewann Jugendliche während der Massenproteste gegen rassistische Polizeimorde, veröffentlicht eine Jugendzeitung und führt überaus sichtbare dynamische Aktivitäten durch. Im Gegensatz dazu kündigte die SL kürzlich an, dass sie ihre Jugendkommission und ihre Labor Black Leagues auflöst. Aber nochmal, all das geht zurück auf das Programm.
Ein Programm für revolutionären Klassenkampf
Die IKL, die behauptet, dass Trotzkis Betonung der Krise der revolutionären Führung überholt sei, ist unfähig heute eine solche Führung anzubieten. Doch so wie scharfe Kämpfe in einem Land nach dem anderen ausbrechen, von Nordafrika bis Südeuropa, in Lateinamerika, Asien und sogar in den USA, die jedoch einer nach dem anderen in Niederlagen enden, ist es klar, dass der Rohstoff für revolutionären Kampf existiert. Während der Kapitalismus immer weiter in die Barbarei absinkt, ist es so wichtig wie eh und je, das Wiederschmieden einer authentisches trotzkistischen Vierten Internationale in den Mittelpunkt zu stellen. Wir wollen unseren Beitrag zu diesem Unterfangen leisten.
Verstrickt in weltweite Depression, steckt der Kapitalismus in einer tiefen Krise, die schmerzlich gefühlt wird und vor aller Augen stattfindet. Im Falle Italiens hat ein Großteil der Jugend kaum etwas in der Gegenwart und noch weniger Zukunftsaussichten unter dem Kapitalismus. Neben Zwei- und Dreimonatsverträgen und der explodierenden Verwendung von „Gutscheinen“ für buchstäbliche Stundenlöhnerei, ist ein „fester Vertrag“ jetzt einer für drei Jahre. Viele arbeiten unbezahlt „um etwas in ihren Lebenslauf schreiben zu können“ für die endlosen erniedrigenden Vorstellungsgespräche, während die wenigen Arbeitsplätze denjenigen mit „guten Beziehungen“ vorbehalten bleiben. Während ein großer und ständig wachsender Teil der Rentner heute in Armut lebt, wird die Jugend später gar keine Rente bekommen. Während 10 Prozent der Bevölkerung in absoluter Armut leben, wird der Süden sich selbst überlassen, um in immer größerer Verelendung, Verzweiflung und endgültiger Deindustrialisierung zu versinken.
Wenn das Leben für Männer zur Hölle wird, so ist es doppelt höllisch für Frauen, die das wirkliche Rückgrat des „Sozialwesens“ in diesem Land des Vatikans sind. Deutlich geringere Bezahlung und Renten, massive Arbeitslosigkeit, Nichtverfügbarkeit von Abtreibungsmöglichkeiten aufgrund der Klausel zur „Weigerung aus Gewissensgründen“ (die es Ärzten erlaubt, die Prozedur nicht durchzuführen), in Vorstellungsgesprächen quasi zur Aussage gezwungen zu sein, niemals Kinder zu bekommen, zusammen mit täglicher Erniedrigung, gehören zum alltäglichen Leben der Mehrheit der Frauen. Unbezahlbare Kinderbetreuungskosten und Fürsorge für Alte und Kranke aufgrund des fortschreitenden Abbaus des Gesundheitssystems, bedeuten starke Belastungen. Und dann werfen die bürgerlichen Herrscher den Frauen die sinkende Geburtenraten vor!
Tausende von verzweifelten Flüchtlingen ertrinken im Mittelmeer, oder werden stillschweigend Kälte und Krankheit zum Sterben überlassen, inhaftiert und abgeschoben in den wahrscheinlichen Tod. Gleichzeitig bereiten Italien und seine imperialistischen Verbündeten einen weiteren imperialistischen Krieg in Libyen und anderswo vor, genau wie das imperialistische Massaker in Libyen 2011. Während die Europäische Union schnellere Abschiebeverfahren mit der beschleunigten „Dublin-III“-Verordnung anstrebt, will sie neu ankommende Immigranten zurückdrängen (die drohen, sich ins Meer zu stürzen). Unterdessen stärkt die EU ihre paramilitärische Immigrationspolizei Frontex und erweitert die Camps, Konzentrationslager für undokumentierte Einwanderer, nicht nur die CIE (Centri di Identificazione ed Espulsione, die Abschiebelager), sondern auch die CDA und CARA, die angeblichen Auffanglagern, die befallen sind von Profiteuren und Rassisten.
Trotzkisten kämpfen für volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten. Inmitten der von rassistischen Rechten aufgepeitschten immigrantenfeindlichen Raserei, beschränken einige opportunistische „linksradikale“ Gruppen, wie der Partito Comunista dei Lavoritori (PCL, Kommunistische Arbeiterpartei) von Marco Ferrando und Grisolia, ihr Programm auf die Forderungen nach Permesso di Soggiorno (temporäre Arbeitserlaubnisse) für Einwanderer (für begrenzte Zeit zu gewähren von der Questura – der Polizei) und nach einem „Ende rassistischer Gesetze“, wobei einige Ortsgruppen doch Staatsbürgerrechte für alle fordern. Die Partito di Alternativa Comunista (PDAC, Partei der kommunistischen Alternative) von Francesco Ricci stellt diese Forderung in einer Liste von Reformen auf, aber verknüpft dies nicht direkt mit revolutionärer Aktion der Arbeiterklasse. Für die Sozialdemokraten der Liga Internacional de los Trabajadores (LIT, Anhänger des verstorbenen argentinischen Pseudo-Trotzkisten Nahuel Moreno), zu der die PDAC gehört, bedeutet „Sturz des Kapitalismus und Aufbau einer sozialistischen Wirtschaft“ Verstaatlichungen und andere Maßnahmen, die den kapitalistischen Staat unangetastet lassen. Aber die demokratische Forderung nach vollen Staatsbürgerrechten für Immigranten wurde bisher nur mit revolutionären Mitteln verwirklicht – in der Französischen Revolution von 1789–92, in der Pariser Kommune von 1871 und in der Russischen Oktoberrevolution von 1917.
Ständig zeigt sich, dass defensive Arbeiterkämpfe und Kämpfe für demokratische Rechte unter dem zugrunde gehenden Kapitalismus nicht gewonnen werden können. Es gibt viel Hass und Bitterkeit auf dieses kapitalistische System, sowohl an den europäischen als auch afrikanischen Mittelmeerküsten, und viele, die es hassen, wollen eine Revolution. Der ultrarechte Rassist Matteo Salvini ist ständig in ganz Italien stark umstritten. Die SI COBAS (Branchenübergreifende Gewerkschaft – Basiskomitees) führte zahlreiche Streiks von brutal ausgebeuteten immigrierten Arbeitern (die auch eine menschliche Brücke zum Kampf für proletarische Revolution in ihren Herkunftsländern darstellen) und italienischen Arbeitern, und konnte einige Teilsiege erringen, trotz Schikanen, Abschiebedrohungen und allseitiger Unterdrückung. Am 18. März organisierte sie einen landesweiten Generalstreik gegen imperialistischen Krieg und den Krieg gegen Arbeiter und Immigranten zu Hause. Aber noch immer ächzt die Arbeiterklasse unter der Zwangsjacke einer Gewerkschaftsbürokratie von Ausverkäufern, die internen Widerspruch unterdrücken wollen – von der CGIL, geführt von Bürokraten, die die Demokratische Partei unterstützen, bis zur FIOM (Metallarbeitergewerkschaft) von Maurizio Landini.
Die Löhne der Arbeiter des öffentlichen Diensts sind seit mehr als sechs Jahren eingefroren, und nun führen sie eine Reihe von Streiks und Protesten durch. Lehrpersonal und Studenten kämpfen gegen Kürzungen im öffentlichen Bildungssystem und gegen die „Reform“, die den Direktoren diktatorische Macht gewährt und gewerkschaftliche Errungenschaften angreift. Es gibt Wut unter den Arbeitern im Gesundheitswesen über immer weitere Kürzungen, Privatisierungen und zunehmend unerträgliche Arbeitsbedingungen. In Taranto führen die ILVA-Stahlarbeiter einen entscheidenden Kampf um ihre Arbeitsplätze und ihre Sicherheit. Studenten und Jugendliche demonstrieren immer wieder für bezahlbare, hochwertige, säkulare Bildung. Um diese Kämpfe zu vereinen, ist es notwendig, für eine kommunistische Führung in den Gewerkschaften und in der Arbeiterbewegung zu kämpfen.
Um die Sabotage durch die Gewerkschaftsbürokratie und die Spaltung der Arbeiterklasse in verschiedene Gewerkschaften zu überwinden, ist es notwendig, für die Bildung von wähl- und abwählbaren Massenstreikkomitees oder ähnliche Organisationsformen zu kämpfen, um verschiedene Teile der Arbeiterklasse im Kampf zu vereinen. Die 1984 im Zuge eines gewaltigen Kampfes gebildeten Arbeiterräte hatten das Potential, Sowjets zu werden, die Grundlage für Arbeitermacht. Aber anstatt schonungslose Arbeiteraktionen zu führen, haben die pro-kapitalistische PCI (Kommunistische Partei Italiens), Democrazia Proletaria und andere die machtvolle Bewegung ausverkauft, im Austausch für eine bedeutungslose Volksabstimmung über die Scala Mobile („gleitende Skala“ zur Anpassung an die Lebenshaltungskosten).
Das historisch politisch fortschrittliche und kämpferische Proletariat in Italien durchlebte zwei revolutionäre Situationen, sowie zahlreiche machtvolle Erhebungen und Revolten. Aber von seiner Führung wurde es ständig verraten. Im September 1920, auf dem Höhepunkt eines zweijährigen De-facto-Bürgerkriegs nach Italiens Niederlage im Ersten Weltkrieg, besetzte das Proletariat die Fabriken und hatte die Kontrolle über viele ländliche Gebiete, während es gleichzeitig massive Revolten in der Armee gab. Die Unfähigkeit sämtlicher Flügel der Italienischen Sozialistischen Partei (PSI), auch nur zu versuchen, die Staatsmacht zu übernehmen, wurde mit über zwei Jahrzehnten Faschismus bezahlt.
Wiederum am Ende des Zweiten Weltkriegs war proletarische Revolte, mit Turin als Zentrum, entscheidend für den Sturz der Faschisten. Mit ihrer stalinistischen, klassenkollaborationistischen Theorie des „Sozialismus in einem Lande“ und ihrem Volksfront-Programm, verkaufte die PCI die revolutionäre Situation von 1943-48 aus. Mit der Svolta di Salerno (Wende von Salerno), ausgeführt von Palmiro Togliatti unter direktem Befehl von Stalin, entwaffnete die PCI die Partisanen und fungierte als Stütze für die Christdemokraten und den Vatikan.
Seitdem haben PCI, Democrazia Proletaria, später Rifondazione Comunista, sowie ihre ganzen pseudo-„trotzkistischen“ Anhängsel (manchmal inner-, manchmal außerhalb von DP und RC), ständig Volksfront-Politik unterstützt, die die Arbeiterbewegung der Bourgeoisie unterordnet. Die heutige PCL, genau wie die PDAC, haben jahrzehntelang volksfrontlerische Klassenkollaborationspolitik betrieben. Sie brachen erst 2006 mit RC, als RC der Prodi-Regierung beitrat und Prodi forderte, dass Ferrando und Ricci nicht als Kandidaten für den Senat aufgestellt werden. All diese Irreführer unterstützten die antisowjetische polnische Solidarnosc von Papst Wojtyla, Reagan und Thatcher; sie leugnen, dass China ein deformierter Arbeiterstaat ist, der bedingungslos gegen Imperialismus und die Kräfte der Konterrevolution verteidigt werden muss, und sie unterstützten 2014 die konterrevolutionäre, CIA-finanzierte Studentenbewegung in Hongkong.
Während die PCL 2011 mit der Unterstützung der bürgerlichen Politiker Pisapia in Mailand und De Magistris in Neapel eklatanten Klassenverrat begang, bezeichnet die PDAC China als „das barbarischste kapitalistische Land der Weltgeschichte“ und verkündet: „Es lebe die Revolution in Osteuropa, die die stalinistische Diktatur stürzte“ (und die Bevölkerung in bittere Armut trieb sowie die Lebenserwartung drastisch verkürzte). Die PDAC unterstützt die pro-imperialistischen islamistischen „Rebellen“ der Freien Syrischen Armee. Diese Pseudo-Trotzkisten sind tatsächlich Apologeten von Konterrevolution, Imperialismus und italienischem Kapitalismus. Für die vielen, die sich völlig zu Recht von dieser Bande falscher proletarischer Führer verraten fühlen – nicht zuletzt von der Ex-PCI, die sich vollkommen in eine bürgerliche Partei verwandelt hat, geleitet von Renzi, dem Steuereintreiber der räuberischen EU-Banker – ist es notwendig, Schlussfolgerungen zu ziehen. Es ist notwendig, eine leninistische Partei zu schmieden, durch Beteiligung am, und Mobilisierung für den Klassenkampf. Wir kämpfen für:
- Streiks gegen den imperialistischen Krieg. Nieder mit der imperialistischen EU und NATO durch europaweiten Klassenkampf, der zur sozialistischen Revolution führt!
- Boykott militärischer Güter, wie italienische Bahnarbeiter und Antikriegsaktivisten es im Februar 2002 außerhalb von Vicenza taten, als sie einen NATO-Zug stoppten.
- Integrierte Arbeiterverteidigungsgruppen um den rassistischen Lynchmobs eine wohlverdiente Lektion zu erteilen. Nieder mit der rassistischen Festung Europa! Volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten und Flüchtlinge!
- Organisierung der Unorganisierten und Kampf für volle Tariflöhne für alle – gleicher Lohn für gleiche Arbeit!
- Nieder mit der Klausel zur „Weigerung aus Gewissensgründen“! Recht auf freie Abtreibung und kostenlose hochwertige Gesundheitsversorgung für alle!
- Drastische Reduzierung der Arbeitswoche bei voller Bezahlung um Beschäftigung für alle zu ermöglichen. Solidaritätsstreiks über nationale Grenzen hinweg sind dringend notwendig.
- Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa! Für die Wiedergeburt der Vierten Internationale, Weltpartei der sozialistischen Revolution!
Proletarische Macht wird nicht durch bürgerlichen Parlamentarismus erreicht werden. Die entscheidende Frage ist revolutionäre Führung. Es gibt keinen „menschlicheren“ Kapitalismus. Entweder wird eine bolschewistische Partei das Proletariat zum Sieg führen, oder wir werden mit völliger Barbarei konfrontiert, die bereits beginnt, auf uns nieder zu gehen. Wie Trotzki bei der Gründung der Vierten Internationale 1938 schrieb: „Die historische Krise der Menschheit ist zurückzuführen auf die Krise der revolutionären Führung.“ Diese These, die von der IKL für überholt erklärt wurde, obwohl ihre Gültigkeit sich immer wieder bestätigt, ist der wesentliche Grund warum die Vierte Internationale gegründet wurde in einer Zeit tiefer Niederlagen für die Arbeiterklasse, und warum sie erneut als Weltpartei der sozialistischen Revolution geschmiedet werden muss.
Die heutige IKL ist kein Platz für Kommunisten. Diejenigen in der IKL, die noch immer Kommunisten sein wollen, sollten dringend die Literatur der Liga für die Vierte Internationale lesen und studieren, wie wir es getan haben. Dabei haben wir das wirkliche trotzkistische Programm wiedererkannt, zu dem wir vor Jahren gewonnen wurden. Politisch ist dies eine Frage von Leben und Tod für diejenigen, die kommunistische Revolutionäre sein möchten. Lenin sagte einmal, dass nur Idioten sich nicht mit beiden Seiten einer Kontroverse befassen. Sei kein Idiot. Es ist Zeit, mit der LVI vorwärts zu gehen. ■