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  November 2021

Linkspartei und Afghanistan –
noch eine Kapitulation


Dorfbewohner nahe Kundus, Afghanistan, beerdigen ihre Toten nach einem NATO-Luftangriff September 2009, der zumindest 140 Personen tötete.  (Foto: AP)

Als willige Komplizen der US-Besetzung Afghanistans wurden auch die deutschen Imperialisten in die Niederlage hineingezogen. Ihre Alibis für dieses Abenteuer wurden durch die berüchtigte Erklärung von Peter Struck (SPD-Kriegsminister in der „rot-grünen“ Regierung von Hartz IV und imperialistischem Krieg) vom März 2004, verkörpert: „Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt“.

Am Rande des Krieges zwischen dem US-Imperialismus und den Taliban konnten sich die Bundeswehrsoldaten eine Zeit lang als Schulbaumeister und Brunnenbauer ausgeben. Das Massaker 2009 an über hundert afghanischen Zivilisten, die sich in der Nähe von Kundus versammelt hatten, um Treibstoff von einem liegengebliebenen Tankwagen abzuzapfen, hat dies Märchen weggeblasen.1 Oberst Jung, der diesen tödlichen Luftangriff veranlasst hat, ist heute General.

Mit Fotos auf den Titelseiten fast aller bürgerlichen Tageszeitungen von imperialistischen Soldaten (vorzugsweise Frauen), die afghanische Frauen und Kinder in Sicherheit bringen, wurde die reformistische Linkspartei erneut unter Druck gesetzt, eine weitere Version der imperialistischen „humanitären“ Intervention nun endlich vollständig zu akzeptieren.

Am 25. August stimmte der Bundestag rückwirkend über die vorübergehende Verstärkung der deutschen Streitkräfte in Afghanistan ab, um den endgültigen Abzug aller Streitkräfte zu beschleunigen. Diesmal enthielt sich der Großteil der Linkspartei-Fraktion auf Empfehlung der Fraktionsführung der Stimme, anstatt mit Nein zu stimmen. Dieses besondere Zugeständnis diente ihrer eher kläglichen Hoffnung, sich in einer hypothetischen Zukunft mit SPD und bürgerlichen Grünen einige Regierungssitze zu sichern. Diese Kapitulation bedeutete jedoch keine neue qualitative Entartung dieser sozialpatriotischen Partei: wie wir 2009 feststellten, bestanden die Parteispitzen wie Dietmar Bartsch und Oskar Lafontaine bereits damals alle darauf, dass ein deutscher Rückzug nicht „Flucht wie damals aus Vietnam“ (Bodo Ramelow), nicht „Übermorgen“ (Bartsch) oder sogar „kopflos“ (Lafontaine) sein dürfe.

Vor einem Jahrzehnt war die Linkspartei auch voll von Ideen, deutsche Soldaten durch . . . deutsche Polizisten zu ersetzen, einschließlich paramilitärischer Einheiten wie KSK und GSG-9, um eine afghanische Polizei auszubilden. In der Tat sind es genau einige Afghanistan-Veteranen dieser Sondereinheiten gewesen, die sich in Neonazi-Strukturen innerhalb der Bundeswehr sich hervorgetan haben. Da die Linkspartei also nicht grundsätzlich gegen die Besatzung war, ist es kein Wunder, dass sie im Juni dieses Jahres ihren eigenen Plan zur Rettung der afghanischen Hilfstruppen des deutschen Imperialismus vorstellte.


Obszöner Spektakel: Großer Zapfenstreich mit Fackelzug würdigt vor dem Reichstag-Gebäude den mörderischen 20-jährigen  Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan.  (Foto: Soldat & Technik)

Zu den Oppositionellen in der Partei, die durch die Enthaltung der Linkspartei im Bundestag beunruhigt waren, gehörte die Sozialistische Alternative Voran (SAV), die mit der Internationalen Sozialistischen Alternative verbunden ist. In einem Artikel vom 4. September stellt die SAV fest, dass die deutsche Bourgeoisie den „Humanitarismus“ als Propagandatrick einsetzt, widmet dann aber mehrere Absätze einer Erklärung, warum mehr deutsche Soldaten auf dem Flughafen von Kabul bloss nutzlos gewesen wären.

Diese Organisation ist der Meinung, dass der Imperialismus lediglich eine schlechte Politik ist. Ein führender Vertreter der ISA verkündete in einer Erklärung vom 18. August (und das war keineswegs ironisch gemeint): „Hätte der Imperialismus stattdessen bei der Entwicklung einer ordentlichen Wirtschaft geholfen, könnten viele derjenigen, die im Drogenhandel oder Schmuggel tätig sind (Afghanistans Hauptquellen für den Außenhandel) oder die Taliban aus wirtschaftlichen Gründen unterstützen, jetzt einer gesellschaftlich nützlichen Arbeit nachgehen, und dem Fundamentalismus wäre die Grundlage entzogen worden.“

Die Linkspartei hat nun deutlich gemacht, dass auch ihre verbale Opposition gegen die NATO nicht ernst genommen werden sollte. Die verschiedenen pazifistischen Bewegungen in der jüngeren deutschen Geschichte, vom Widerstand gegen die Wiederbewaffnung in den 50er Jahren bis zu den Massenaufmärschen in den 80er Jahren – immer verwoben mit deutschem Nationalismus – haben schließlich zur Entstehung der Grünen beigetragen, die, gerade an der Regierung, den Angriff auf Serbien 1999 gemeinsam mit der SPD durchführten. Wie Leo Trotzki schon vor langer Zeit feststellte, ist der Pazifist von gestern der Kriegspropagandist von morgen, der seine frühere Gesinnung als Druckmittel einsetzt. Die Imperialisten haben in Afghanistan eine Niederlage erlitten, aber es wird eine internationale sozialistische Revolution brauchen, um das für den Krieg verantwortliche imperialistische System zu beseitigen. ■


  1. 1. Siehe „Afghan Massacre Blows Apart German Occupiers’ Lies“, The Internationalist Nr. 30, November-Dezember 2009.