Hammer, Sickle and Four logo

  April 2018

Studierende und Uni-Beschäftigte: Unterstützt den Kampf
der studentischen Hilfskräfte!

Sieg dem TVStud-Streik!

Ausweitung des Kampfes auf alle Beschäftigten!
Kein Vertrauen in den kapitalistischen SPD/Linke/Grünen-Senat!

Zentrale Streikdemo
            der studentischen Beschäftigten
Berlin, 25. Januar: Zentrale Streikdemo der studentischen Beschäftigten  (Foto: tvstud.berlin)

Seit Mitte Januar befindet sich die jahrelange Auseinandersetzung über bessere Löhne und Arbeitsbedingungen für die studentischen Hilfskräfte der Berliner Hochschulen in der heißen Phase. Nachdem der Tarifvertrag der studentischen Beschäftigten ­(TVStud), der etwa 8 000 Angestellte abdeckt, seit 2001 nicht mehr verändert wurde (von der Streichung des Weihnachtsgelds durch den damaligen SPD/LINKE-Senat abgesehen), gab es nun acht Warnstreiktage von GEW und ver.di, die gemeinsam die Tarifverhandlungen führen

Die Streikenden forderten eine Anhebung des Stundenlohns von 10,98 auf 14 Euro pro Stunde. Was sich nach prozentual viel anhört, ist tatsächlich nur der Ausgleich für 17 Jahre Inflation, von der Explosion der Mietpreise in Berlin ganz zu schweigen. Zu weiteren Forderungen gehört u.a. die Wiedereinführung des Weihnachtsgelds, 30 Urlaubstage (statt bisher 26), Verlängerung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (bisher nur 6 Wochen, da die Krankenkassen die Zahlung von Krankengeld für Studierende ausschließen), Obergrenzen für die Teilnehmerzahl in Tutorien, sowie eine Mindestlaufzeit von Arbeitsverträgen von vier Semestern. Darüber hinaus soll der Tarifvertrag „dynamisiert“ werden, d.h. er soll an die Lohnsteigerungen des Tarifvertrags der Landesbeschäftigten ­(TV-L) gekoppelt werden, um eine erneute jahrelange Stagnation zu verhindern.

Die Unileitungen haben versucht, mit Desinformation und offenen Drohungen die Streikbeteiligung niedrig zu halten. So verschickte das FU-Präsidium ein Schreiben an alle Institute und Einrichtungen, dass der Streik „rechtswidrig“ sei, und drohte mit arbeitsrechtlichen „Konsequenzen bei Teilnahme an rechtswidrigen Arbeitskampfmaßnahmen“ (10. Januar). Selbstverständlich wissen die Personaler der FU ganz genau, dass die Teilnahme an gewerkschaftlich aufgerufenen Streiks für den Einzelnen keinerlei rechtliche ­Konsequenzen hat, selbst, wenn später ein Gericht den Streik für „illegal“ erklären würde (in diesem Fall müssten die aufrufenden Gewerkschaften die Konsequenzen tragen). Das Kalkül war aber offensichtlich, dass streikunerfahrene studentischen Hilfskräfte (SHK) dies nicht wissen würden.

Trotzdem erfreute sich der erste Streik der SHK seit über 30 Jahren großer Aufmerksamkeit und enthusiastischer Beteiligung. Bei zentralen Kundgebungen und Demos kamen bis zu 1 500 Beschäftigte und Unterstützer zusammen, und es gab Streikversammlungen und Aktionen an den einzelnen Unis mit hunderten Teilnehmern. Mobilisiert wurde der Streik von lokalen Streikgruppen, die sich lange im Voraus regelmäßig trafen, um Bürorundgänge, Infostände und Aktionen zu planen. In diesen Gruppen sind neben gewerkschaftlich organisierten SHK auch studentische Initiativen und linke Gruppen aktiv. Neben vielen anderen, beteiligte sich auch die Internationalistische Gruppe an Vorbereitung und Durchführung von Streikaktivitäten.

Unis dürfen SHK nicht weiter für Lohndumping missbrauchen!

Während das Berliner Hochschulgesetz SHK nur für Tutorien und zur Unterstützung von wissenschaftlichem Personal „bei ihren Ta?tigkeiten in Forschung und Lehre“ vorsieht, benutzen die Universitäten nach TVStud eingestellte SHK massenhaft als billige, befristete und flexible Arbeitskräfte in Bereichen, in denen eigentlich der besser bezahlte TV-L gilt und qualifizierte Arbeit von Vollzeitbeschäftigten geleistet wird. Dieses Lohndumping betrifft u.a. Verwaltung, IT und Bibliotheken. Die Personalräte müssen sich endlich weigern, solche Einstellungen nach TVStud abzusegnen! Statt nur Seminare anzubieten, wie sich betroffene SHK in den TV-L einklagen können, müssen die Gewerkschaften Klassenkampfmaßnahmen ergreifen. Kollektive Aktionen statt individuellem Rechtsweg! Auch wenn es einige Bürokraten anders sehen: Eine Gewerkschaft ist eine ökonomische Kampforganisation, und keine ­Rechtsschutzversicherung!

Es ist objektiv im Interesse aller Beschäftigten, gleichen Lohn für gleiche Arbeit durchzusetzen, also den jeweils besten geltenden Tarifvertrag auf alle anzuwenden, die die entsprechende Tätigkeit ausüben. Offensichtlich ist es auch im Interesse der nichtstudentischen Uni-Angestellten, den Kampf für bestmögliche Löhne und Arbeitsbedingungen der SHK aktiv zu unterstützen, um die ständigen Tricksereien über ­TV-­L/­TVStud für die Unis weniger lukrativ zu machen und so den Druck auf das allgemeine Gehalts­niveau zu mindern. Letztlich ist es natürlich absurd, dass es überhaupt zwei getrennte Tarifverträge für ähnliche und teils identische Arbeiten im selben Betrieb und mit den selben Gewerkschaften gibt. Dies ist nichts weiter als „teile-und-herrsche“-Politik der Uni-Bosse.

Wer nach den Regeln der Bosse spielt, kann nur verlieren!

Nur wenige Einrichtungen an den Unis sind so abhängig von SHK, dass sie von ihnen allein effektiv bestreikt werden können (z.B. die PC-Pools, Print­service, Selbstlernzentren, Info-Service, Wochenendbetrieb vieler Bibliotheken). In den meisten Bereichen gibt es so viele andere Beschäftigte, dass der Betrieb lediglich verlangsamt wird. Ähnliches passiert umgekehrt, wenn während ­TV-­L-Warnstreiks (zuletzt Anfang 2017) die TVStud-Beschäftigten weiterarbeiten. Ver.di und GEW dürfen diesen selbstzerstörerischen Zustand nicht länger akzeptieren und müssen dringend die anderen Beschäftigtengruppen zu Solidaritätsstreiks mobilisieren!

Die Gewerkschaftsbürokraten sträuben sich dagegen, mit dem Argument, dass es „illegal“ sei. Aber wer nach Regeln spielt, die der Gegner aufgestellt hat, kann nur verlieren. Gewerkschaften waren auch mal „illegal“, harter Klassenkampf hat das geändert, denn was zulässig oder unzulässig ist, entscheidet am Ende das Kräfteverhältnis. Gerade erst im Januar und Februar haben im US-Bundesstaat West Virginia zehntausende Lehrkräfte zusammen mit Kantinenpersonal und Schulbusfahrern sämtliche Schulen tagelang bestreikt und einen beachtlichen Teilsieg erringen können. Dies geschah in einem Staat, wo es Gewerkschaften im öffentlichen Dienst nicht erlaubt ist, Tarifverhandlungen zu führen und Streiks von staatlichen Angestellten verboten sind (siehe Permanente Revolution Nr. 2, Sommer 2018).

Ein anderes Beispiel sind die Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Weil es bei der Deutschen Bahn (einem ehemaligen Staatsunternehmen) noch viele verbeamtete Lokführer gibt, ist jeder Streik von Spaltung in Angestellte und Beamte bedroht, da Beamte kein Streikrecht haben. Die Aussicht, ihren streikenden Kollegen in den Rücken fallen zu müssen, hat den verbeamteten Zugführern so zugesetzt, dass sehr viele an den Streiktagen krank geworden sind (zuletzt bei den GDL-Streiks 2014/15).

SPD/Linke/Grünen-Senat: Kein Freund der Gewerkschaften!

Es ist wichtig sich klarzumachen, wer die Gegner sind. Der Streik richtet sich nicht nur gegen die jeweiligen Unileitungen, sondern objektiv direkt gegen den Senat, der hinter ihnen steht (die Unis sind landeseigene Betriebe). Trotzdem zeigte eine Resolution, abgestimmt bei einer berlinweiten Streikversammlung am 2. Februar, fatale Illusionen in den Senat aus SPD, Linkspartei und Grünen:
„Auch der Berliner Senat und die Landespolitik stehen in der Verantwortung und müssen ihren Einfluss auf die Hochschulen stärker als bisher geltend machen. Insbesondere den regierenden Bürgermeister und Wissenschaftssenator Müller fordern wir auf, sich direkt dafür einzusetzen, dass die Hochschulen ihre Verpflichtungen aus den Hochschulverträgen erfüllen.“
Dies wiederspiegelt die Position der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbürokratie, die hofft, Druck auf ihre Parteifreunde in der Regierung ausüben zu können, wurde aber auch von linken Elementen in der Streikführung (u.a. Unterstützer der Revolutionären Internationalistischen Organisation, RIO) ohne Gegenrede akzeptiert. Ja, die im Januar unterzeichneten Hochschulverträge versprechen Lohnerhöhungen für die studentischen Beschäftigten. Aber wohlweislich wurden keine konkreten Zahlen genannt. So kann der Senat den Anschein erwecken, auf der Seite der SHK zu stehen, während die ihm unterstehenden Unileitungen in den Verhandlungen unnachgiebig bleiben. Umgekehrt sagen die Unis, ihnen seien finanziell die Hände gebunden, solange der Senat ihnen nicht mehr Geld im Haushalt einräumt.

Jede Behauptung, dass „Rot-Rot-Grün“ irgendwie ein kleineres Übel oder gar eine linke Alternative sei, wird von der Realpolitik dieser Parteien Lügen gestraft. Nicht nur hat die damalige SPD/Grünen-Bundesregierung mit Hartz-Gesetzen und Agenda 2010 die massive Ausweitung von Billiglöhnen, Befristungen, Leiharbeit etc. verbrochen, sie hat auch die imperialistischen Kriege gegen Serbien (1999) und Afghanistan (2001) mitgeführt. Was Berlin angeht, so hat der alte SPD/Linke-Senat ab 2001 die Stadt zehn Jahre lang im Auftrag der Kapitalisten saniert. Die Kosten der Rettung der Bankgesellschaft Berlin wurden auf die arbeitende und arme Bevölkerung abgewälzt: Landeseigene Wohnungen wurden massenhaft privatisiert, die Tarifverträge des öffentlichen Diensts gekündigt, zehntausende Stellen gestrichen und ganze Abteilungen in Billiggesellschaften ausgelagert (wie z.B. das nichtmedizinische Personal der Charité in die CFM).

Die Sozialdemokraten von SPD und Linkspartei (von den bürgerlichen Grünen ganz zu schweigen) sind nicht nur kein kleineres Übel im Vergleich zu CDU und FDP – tatsächlich sind sie viel effektiver darin, Sozialkahlschlag durchzusetzen. Als (nach Lenin) „bürgerliche Arbeiterparteien“ haben sie einerseits eine proletarische Basis und andererseits eine pro-kapitalistische Führung. Sie sind über tausend Fäden organisch mit den Gewerkschaften verbunden, und können soziale Proteste und Klassenkämpfe mit diesem Einfluss kleinhalten. Die strategische Aufgabe von Marxi­sten besteht darin, einen Keil in diese Parteien zu treiben, um die Basis von der bürgerlichen Führung zu brechen, und für den Aufbau einer revolutionären, multiethnischen Arbeiterpartei zu gewinnen. Dieser Kampf beginnt in den Gewerkschaften: Statt „Sozialpartnerschaft“ und „Co-Management“ brauchen wir eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung! 

Nach dem Streik ist vor dem Streik!

Nach der Semesterpause und angesichts der Blockadehaltung der „Arbeitgeber“ in den Verhandlungen, stehen weitere Streiktage bevor. Statt die Frage, ob gestreikt wird, von den Vorständen von ver.di und GEW entscheiden zu lassen, die in den Kampf für einen besseren TVStud wenig involviert sind, sollten die aktiv Beteiligten dies in die Hände nehmen – Gewerkschaftsmitglieder, Nichtmitglieder und Unterstützer. Als Ansatzpunkt dafür können die lokalen Streikversammlungen dienen, wie es sie an vielen Streiktagen gegeben hat. Diese sollten ein (jederzeit abwählbares) berlinweites Streikkomitee wählen, das die Aktionen koordiniert und den Verlauf des Streiks demokratisch entscheidet.

Die relativ vereinzelten Warnstreiktage im Januar/Februar haben es den Unis zu leicht gemacht, die Arbeit einfach um den Streik herum zu organisieren. Der Streik muss ausgeweitet werden, und so lange geführt werden, bis die Forderungen erfüllt werden. Die Unileitungen tun so, als ob sie die bisherigen Streiks nicht beeindruckt hätten. Nun gut, dann müssen die Streikenden mit härteren Bandagen kämpfen. In Anbetracht der räumlichen Verteilung der SHK auf hunderte Büros in dutzenden Gebäuden in fast allen Bezirken ist es leider nicht möglich, alle Arbeitsstätten effektiv zu bestreiken. Andererseits ist es durchaus möglich, fliegende Streikpostenketten zu organisieren, die gezielt neuralgische Punkte des Unibetriebs dichtmachen.

Dabei ist es wichtig, an die anderen Beschäftigten und Studierenden zu appellieren, den Streik zu respektieren, Streikpostenketten nicht zu durchqueren und keine Streikbrecherarbeit zu verrichten. Solidarität findet nicht nur im Kopf statt, sondern hat reale Konsequenzen. Gerade die Studierenden können mit ihrer großen Masse und relativen Ungebundenheit eine wichtige Stütze von Streikaktionen darstellen. Studentische Vollversammlungen an jeder Uni um den Betrieb stillzulegen wären ein entscheidender Schritt hin zum Sieg. Und der ist auch im Interesse der Studierenden – denn, wie ein populärer Slogan der TVStud-Kampagne lautet: „Unsere Arbeitsbedingungen sind eure Lernbedingungen!“ Ein Beispiel dafür gab es an der Freien Universität am 24. Januar. Aus einer Versammlung von SHK und anderen Studierenden heraus, zog ein gemeinsamer Demonstrationszug erst zu zwei Bibliotheken, um diese temporär lahmzulegen, und später am Nachmittag zur Sitzung des Akademischen Senats, um gegen die Antistreik-Drohungen des Präsidiums zu protestieren.

Verdichtung der Arbeitsbelastung, Leistungsdruck und prekäre Bedingungen betreffen sowohl Beschäftigte, als auch Studierende. Den Konstrukteuren neoliberaler Lernfabriken müssen wir deshalb gemeinsam die Stirn bieten. In diesem Sinne fordert die Internationalistische Gruppe: Sieg dem TVStud-Streik! Nieder mit der kapitalistischen Uni-Administration! Hochschulen unter die Kontrolle von allen, die dort studieren, lehren und arbeiten!


Freie Universität, 16. Januar: Demo durch die Uni nach Streikversammlung (Foto: Permanente Revolution)