Oktober 2023
KO nach der Scheidung:
Nationalistische
„Friedensbewegung“
oder internationalistischer Klassenkrieg?
Verteidigt Russland und China gegen die imperialistische Kriegskampagne!
Zerschlagt den US/NATO Stellvertreterkrieg gegen Russland um die Ukraine!
Stoppt Waffenlieferungen an Kiew durch Arbeiteraktionen!
Der Wirrwarr und die umfassende Krise in der Linken, die vom Ukrainekrieg ausgelöst wurden, haben, wie wir mehrmals festgestellt haben, die überwältigende Mehrheit der Linken dazu gebracht, sich offen oder faktisch auf die Seite der Ukraine zu stellen. Dies ist insbesondere bei der Linkspartei der Fall, wo die Führung und Parteiprominente wie Gregor Gysi die russische Invasion lautstark anprangern und sich weigern, sich der Lieferung von Militärgütern in die Ukraine zu widersetzen, während linke Dissidenten ebenfalls erklären, sie seien gegen „Putins Krieg“. Während die Führung die im Parteiprogramm enthaltene Forderung nach der „Auflösung“ der NATO durch die noch bedeutungslosere Forderung nach der „Überwindung aller Militärbündnisse“ wie der NATO ersetzte, wandte sich keiner der vier „linken“ Gegenanträge gegen die NATO selbst, sondern nur gegen die „Osterweiterung“ oder die „Eskalation“ des Krieges durch dieses imperialistische Militärbündnis.1
Die Pseudo-Trotzkisten, von denen die meisten in oder um Die Linke herumschwirren, gehören fast alle diesem Lager an, einige mit der Forderung, „alle NATO-Truppen raus aus Osteuropa“, als Feigenblatt um ihren Verrat zu verbergen (ein wenig spät, da es bereits ein gutes Dutzend osteuropäischer Mitgliedsländer der NATO gibt). Wir sagen „Pseudo“, weil ihre opportunistische Politik das Gegenteil von Trotzkis unerbittlichem Kampf gegen den Imperialismus ist. Aber in den stalinistischen Milieus – die sich im Allgemeinen als „Marxisten-Leninisten“ oder einfach „Kommunisten“ bezeichnen2 – ist eine erbitterte Spaltung im Gange zwischen denjenigen, angeführt von der griechischen KKE, die Moskaus Invasion anprangern, während sie sich pflichtschuldigst von der NATO distanzieren, und auf der anderen Seite denjenigen, die sich auf den Kampf gegen den US/NATO-Imperialismus konzentrieren, und meist sanft auf der Seite Russlands stehen.
In Deutschland, wo die DKP (Deutsche Kommunistische Partei) der letzteren Position anhängt, während die MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands) und diverse KPDs eine „Drittes-Lager“-Position unterstützen, hat der Streit zu einer formellen Spaltung der Kommunistischen Organisation (KO) geführt. Diese war eine Abspaltung 2017 von der DKP und ihrer Jugendgruppe, der SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend), die ihre ehemalige Partei des Revisionismus beschuldigte, der einen „friedlichen Übergang zum Sozialismus“ suchte. Zwecks der politischen Geolokalisierung, könnte man, unter Verwendung ihrer eigenen Selbstbeschreibungen, sagen, dass die KO-ZL (Zentrale Leitung) dem Anti-NATO-Lager zuzurechnen ist, während die KO-„ML“ (Marxisten-Leninisten) dem weder-Moskau-noch-NATO-Dritten Lager angehört und gegen den „russischen Imperialismus“ wettert – eine Position, die ganz bestimmt weder marxistisch noch leninistisch ist.
Anfang Januar, als die beiden Fraktionen gleichzeitig entgegengesetzte außerordentliche Mitglieder-Kongresse abhielten, hat die KO-ZL sich „gegen eine Positionierung im Ukrainekrieg zum jetzigen Zeitpunkt“ entschieden.3 Diese Nichtstellungnahme erwies sich bald als unhaltbar, nicht zuletzt in den Auseinandersetzungen mit der „anderen KO“. Wie kann man sich denn überhaupt als Kommunist ausgeben, ohne bei der brennendsten Tagesfrage konkrete Anleitung zu bieten? So erschienen bei der KO-ZL anlässlich der Ostermärche Forderungen wie: „Für die Niederlage der NATO – in der Ukraine und weltweit!“ und „Stoppt den Krieg gegen Russland – NATO raus aus der Ukraine!“ Aber auch, „Deutschland raus aus der NATO – NATO raus aus Deutschland!“ und als krönende Losung, „Für den Aufbau der Anti-NATO-Friedensbewegung in Deutschland!“4
Es wird im diesbezüglichen Artikel bejammert, dass „der Pazifismus an erster Stelle“ in den Aufrufen und Redebeiträgen sei, was durchaus zu erwarten ist bei einer Friedensbewegung. Auch wird bedauert, dass „zentrale Figuren und Gruppierungen der alten Friedensbewegung in das NATO-Lager“ überlaufen, dass „fast alle“ Aufrufe mit der „Ablehnung des ,völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands‘ beginnen, dass „die Forderung nach einem Stopp der Waffenlieferungen fehlt“ und „Raum in der Friedensbewegung“ an Mitträger des NATO-Kriegs gegeben wird. All das ist selbstverständlich, weil eine Friedensbewegung sich auf die bestehende Gesellschaftsordnung basiert, d.h., auf den Boden des deutschen Imperialismus. Wie wir schon geschrieben haben:
„Die Tatsache ist, dass pazifistische Rhetorik öfters in militärische Aktion mündet, genau wie die Sozialdemokratie 1914 ihre starken Antikriegsresolutionen mit dem Ausbruch des imperialistischen I. Weltkriegs plötzlich vergaß, und wie man gerade bei der pazifistischen deutschen Linken beobachten kann.“
–„Gleichschaltung der Linken in der ‚Zeitenwende‘“
Bekannterweise hat Lenin im I. Weltkrieg nicht zu einer „Friedensbewegung“ aufgerufen, sondern dazu, den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg gegen die Bourgeoisie umzuwandeln.
Am 1. Mai wurden Genossen der KO-ZL in Frankfurt am Main gewalttätig angegriffen und ihr Transparent mit der Losung „Stoppt den Krieg gegen Russland – Keine Waffen für die Ukraine“ entrissen von Ordnern der „revolutionären“ Ersten-Mai-Demo, unter ihnen Anhänger von „roten“ Gruppen (Young Struggle, Kommunistischer Aufbau und Aurora). Die KO-„ML“ distanzierte sich sofort auf Twitter vom Inhalt des Banners. Ein Paar Tage später hat es auch in Duisburg einen Versuch derselben Kräfte gegeben, das KO-Banner, diesmal dazu mit der weiteren Losung „Für die Niederlage der NATO“ versehen, zu unterbinden. Diese Vorfälle veranschaulichen wie Drittes-Lager-Linke als Stoßtrupp der „NATO-Sozialisten“ gegen Widersacher der imperialistischen Kriegstreiber dienen. Und dass die KO-ZL sich standhaft dagegen wehrte, unterstreicht die Unentbehrlichkeit eines revolutionären Klassenkampfes gegen den Imperialismus.
„BRD raus aus der NATO“: Losung für
eine nationalistische Friedensbewegung
Im Gleichschritt mit den §130 Meinungs-Zensoren, haben Ordner von „Friedensdemonstrationen“ in Frankfurt am Main und Duisburg versucht, sogar gewalttätig, die Banner und Fahnen der Kommunistischen Organisation aus den Demozügen zu entfernen. Trotzkisten verurteilen schärfstens solche Repression zugunsten der Kriegstreiber.
Der imperialistische Krieg ist ein Härtetest für alle angeblich revolutionären Tendenzen. Wie schon anderthalb Jahre von „Friedensdemonstrationen“ zum Ukraine-Krieg beweisen, dienen heuchlerische NATO-kritische Erklärungen nur dazu, die Kapitulation der Linken vor dem imperialistischen Militärbündnis zu tarnen. In einer Erklärung vom 30. August hat die KO-ZL versucht, ihre Positionen zum Krieg weiter zu konkretisieren. Neben den Forderungen, den Krieg gegen Russland zu stoppen und keine Waffen an die Ukraine zu liefern, wird die Losung „Nieder mit der NATO – Deutschland raus aus der NATO, NATO raus aus Deutschland!“ wiederholt und eine neue aufgestellt, „Den deutschen Imperialismus entwaffnen: Rheinmetall & Co. enteignen!“ Dabei stellt sich die Frage: Wer soll den Krieg stoppen, wer soll den Halt der Waffenlieferungen erzwingen? Konkret, wer soll wen entwaffnen, bzw. enteignen? Die berühmte Frage: Kto-kogo, wer – wen?
Wie Leo Trotzki im Übergangsprogramm (1938) betonte, „‚Abrüstung‘? Aber alles dreht sich um die Frage, wer entwaffnet und wem die Waffen abgenommen werden. Die einzige Form der Abrüstung, die den Krieg verhindern oder aufhalten kann, ist die Entwaffnung der Bourgeoisie durch die Arbeiter.“ Aber wenn man hier von Enteignung/Entwaffnung spricht, ohne Erwähnung der Arbeiterklasse, liegt es auf der Hand, dass diese Losung eine Forderung an die Regierung ist. Das Konzept, dass die imperialistische Bourgeoisie sich selber entwaffnen würde, ist völlig sinnlos, ein krasser Widerspruch zur marxistischen Analyse des Wesens des kapitalistischen Staats. Und wenn Rheinmetall in „öffentlichen Besitz“ käme, würde das irgendwie die Kraft und Gefahr des deutschen Imperialismus vermindern? Offensichtlich nein. Diese Slogans stellen keine Grundlage für die Mobilisierung der Macht der Arbeiterklasse gegen den imperialistischen Kriegskurs dar. Vielmehr lenken sie davon ab.
Ähnlich verhält es sich bei einer der oben erwähnten Parolen. Ein Diskussionsartikel (16. Juni), „Deutschland raus aus der NATO?“, erläutert, dass diese Losung von der KO und durch „viele Organisationen in der Friedensbewegung, wie auch die DKP“, häufig verwendet wurde. Zu welchem Zweck? Der Artikel bringt tatsächlich eine Reihe starker Argumente gegen den Slogan hervor: „Das deutsche Monopolkapital drängt zur Weltmacht und wird dafür früher oder später auch seine Haltung zum US-Imperialismus und zur NATO anpassen“. Die Forderung aufzustellen wäre zugunsten von Teilen der deutschen Bourgeoisie, „die verstärkt nach Autonomie drängen, und die EU zum eigenständigen militärischen Instrument entwickeln wollen. Es ist eine Position gegen den US-Imperialismus, nicht aber gegen das deutsche Finanzkapital. De facto würden die USA zum Hauptfeind erklärt werden.“ Ganz richtig!
Der Autor (Max) bemerkt, dass die Losung im Einklang steht mit „‚souveränistischen‘ Vertretern der Sozialdemokratie“, wie Oskar Lafontaine (wir würden ihn eher als bürgerlichen Populisten einstufen) mit seinem Buch Ami, it’s time to go! – Plädoyer für die Selbstbehauptung Europas (2022). Der Artikel zitiert eine recht treffende Analyse der nationalistischen Friedensbewegung der 80er Jahre:
„Ein deutscher Nationalismus wuchs fast unmerklich bei Massen heran, die vorher für ausgesprochen reaktionäre Bestrebungen nicht in Frage gekommen waren. Riesige Kundgebungen ‚für den Frieden‘ klagten die USA und die Sowjetunion an und deckten den Hauptfeind im eigenen Land, der ungestört mit seinen ‚deutsch-deutschen Beziehungen‘ an der Destabilisierung der DDR arbeiten konnte.“
–Erika Wehling-Pangerl, in Neues vom Hauptfeind (2012)
So wars beim Anschluss der DDR 1989-1990, als die Sozialdemokratie mit ihrer Ostpolitik als „Trojanisches Pferd“ des deutschen Kapitals diente, das seinen reaktionären „Drang nach Osten“ unter pazifistischen Phrasen tarnte. Das wiedervereinigte kapitalistische Deutschland war danach in der Lage, einen Landkrieg in Europa zu führen – den imperialistischen Angriff auf Serbien 1999, unter der rot-grünen Regierung, viel effektiver als eine CDU. Scholz nimmt heute den Westbalkan ins Visier, als Anlauf für die Profilierung von Deutschland als Vormacht in Europa.
Nicht „Multipolare Welt“ sondern sozialistische Weltrevolution
KO bei der 1.-Mai-Demo in Berlin. Schlüsselfrage: Wer soll den NATO-Krieg gegen Russland und Waffenlieferungen an die Ukraine stoppen, und wie? Für revolutionären Klassenkampf gegen die imperialistischen Kriegstreiber!
Der Diskussionsbeitrag behauptet: „‚Deutschland raus aus der NATO‘ wird gegenwärtig von den Sachverwaltern des deutschen Finanzkapitals nicht vertreten.“ Stimmt, aber das kann morgen schon anders sein. Jeder weiß, dass der wirtschaftliche Zermürbungskrieg gegen Russland gleichzeitig ein US-Wirtschaftskrieg gegen das französisch-deutsche europäische Konsortium ist, und der beschränkt sich nicht nur auf die Sabotage der Nord-Stream-Gaspipeline. Ganze Branchen der deutschen Industrie sind ohne Zugang zu billigem russischen Gas nicht mehr konkurrenzfähig. Die Kräfte für eine politische Wende stehen bereits in den Startlöchern. Die KO-ZL selbst warnt:
„Aber auch rechte Kräfte, wie die Freien Sachsen und die AfD, die sich gerne als entschlossene Gegner der NATO inszenieren, wollen die Friedensbewegung auf den falschen Weg führen. Ihre Kritik an der NATO entpuppt sich als Streben nach einer eigenständigen deutschen Großmachtpolitik, die sich nicht länger den US-Interessen unterordnen will. Dazu gehört die Aufrüstung der Bundeswehr ebenso wie ein ‚souveräner‘ Weg zur blutigen Weltherrschaft des deutschen Imperialismus.“
–„Stoppt Air Defender 2023 – Nein zum Krieg heißt Nein zur NATO!“ (12. Juni)
Die Losung „Deutschland raus aus der NATO!“ würde der AfD in die Hände spielen, gerade wo es gilt, diese faschistoide Partei als Irreführer der ostdeutschen Massen zu bekämpfen, die sie in die Sackgasse einer völkisch-nationalistischen Opposition zur NATO abzulenken versucht.
Laut dem KO-Artikel: „Es ist im Interesse der deutschen Arbeiterklasse, dass Deutschland aus der NATO austritt, sie schwächt und der aggressive Handlungsspielraum der BRD eingeengt wird.“ Tut es nicht. Die Geschichte hat diese Frage bereits beantwortet. In den Jahren 1959-1963 zog sich Frankreich unter de Gaulle teilweise aus der NATO zurück. Die NATO wurde dadurch nicht geschwächt. Frankreich kehrte schließlich zurück und wurde in den 80er Jahren zur Avantgarde des Antisowjetismus. Das sehen wir heute wieder. Nach seiner Rückkehr von Peking warnte der französische Präsident Macron davor, „Vasallenstaaten“ der USA zu werden und forderte europäische „strategische Autonomie“. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, französische Waffenlieferungen an die Ukraine zu erhöhen, noch hat es den bedrückenden Charakter des französischen Imperialismus in Afrika, z.B., gemindert.
Ein (äußerst unwahrscheinlicher) deutscher Austritt aus der NATO würde weder die Aggressivität des deutschen Imperialismus noch seinen langjährigen „Drang nach Osten“ mindern. Die Auffassung, dass der imperialistische Weltherrschaftsanspruch in einer „multipolaren Welt“, wie sie sich die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) vorstellen, gelockert werden könnte, ist ebenso wie das pazifistische Geschwätz von vollständiger „Abrüstung“ eine reine Illusion. Sie ähnelt dem Bernstein/Kautsky-Traum von einer schrittweisen Reform des Kapitalismus. Auch mittlere kapitalistische Länder wie Russland sind imperialistischer wirtschaftlicher Erpressung ausgesetzt, zum Beispiel durch US/EU/NATO-Sanktionen. Der imperialistische Würgegriff kann nur durch eine internationale sozialistische Revolution gebrochen werden.
Die Pseudolinken, die sich weigern, Russland und China gegen den Imperialismus zu verteidigen, sind vom Sirenengesang des „Menschenrechtsimperialismus“ verführt. Das ganze „Menschenrechts“-Geschäft wurde beim Auftakt des imperialistischen Kalten Krieges als Waffe gegen die Sowjetunion erfunden, und wird jetzt in allergrößter Lautstärke zur Verteidigung des faschistischen/nationalistischen Putschregimes in der Ukraine verbreitet. Bei der Gründung der Kommunistischen Internationale verpflichtete Lenin in den Bedingungen für die Zugehörigkeit die Mitglieder-Parteien dazu:
„nicht nur den offenen Sozialpatriotismus zu entlarven: den Arbeitern systematisch vor Augen zu führen, dass ohne revolutionären Sturz des Kapitalismus keinerlei internationales Schiedsgericht, keinerlei ‚demokratische Reorganisation‘ des Völkerbundes imstande sein wird, die Menschheit vor neuen imperialistischen Kriegen zu bewahren“
–„Bedingungen für die Aufnahme in die Kommunistische Internationale“ (Juli 1920)
Revolutionäre Marxisten sind keine Pazifisten. Wir bauen keine „Friedensbewegungen“ auf, die sich, wie Trotzki im Juni 1917 schrieb, dann in Pro-Kriegs-Bewegungen verwandeln, wie es derzeit bei den pro-ukrainischen „Friedens“-Demos der Fall ist. Echte Kommunisten intervenieren in „Antikriegs“-Bewegungen als revolutionäre Opposition gegen die reformistische/bürgerliche Volksfront-Führung, ob von individuellen Promis (Wagenknecht) oder andauernden Organisationen (Friko), um den Massen das Programm von Kampf gegen den imperialistischen Krieg durch Arbeiteraktion nahezubringen.
Wie den imperialistischen
US/NATO-Krieg bekämpfen?
Leninismus/Trotzkismus vs. Stalinismus
Block der Internationalisten beim New Yorker 1.- Mai-Demo 2023. Auf dem Banner: „Zerschlagt den Kriegskurs von USA und NATO gegen Russland und China. Nur die sozialistische Revolution kann einen III. Weltkrieg stoppen.“ Auf dem Plakat, „Verteidigt Russland, China gegen kriegsverrückte Herrscher der USA!“
Der Krieg gegen Russland der US/NATO-Imperialisten, und eigentlich aller imperialistischen Länder, groß und klein, bringt die Frage auf den Punkt: Ist das heutige kapitalistische Russland imperialistisch, wie die Drittes-Lager-Opportunisten (in Nachahmung von Kriegstreiber wie Olaf Scholz) heute behaupten? Schon bei ihrem Austritt aus der DKP stellte sich die Kommunistische Organisation diese Gretchenfrage. Sechs Jahre später hat sie immer noch keine Antwort darauf. Wir Trotzkisten der Liga für die Vierte Internationale, hingegen, haben diese Frage 2014 ausführlich untersucht, und haben aufgrund der Kriterien von Lenins Imperialismus-Schrift und einer Analyse von aktuellen wirtschaftlichen Daten das leninistische, wissenschaftliche Urteil gegeben: das post-sowjetische Russland ist eine mittlere kapitalistische Regionalmacht.5
Der Krieg um die Ukraine stellt unausweichlich die Frage: Leninismus/Trotzkismus oder Stalinismus, oder noch grundsätzlicher, Klassenkampf oder Klassenkollaboration? Losungen wie „Stoppt den Krieg gegen Russland“ und „Keine Waffen an die Ukraine“ – obwohl sie keinen Schulterschluss mit den Imperialisten üben so wie die „NATO-Sozialisten“ das tun – sind, explizit oder implizit, als Bitten an die bürgerliche Regierung gerichtet. So auch die Forderung „BRD raus aus der NATO“. Für Lenin und die Bolschewiki im Ersten Weltkrieg war ihre Politik darauf ausgerichtet, die Werktätigen in revolutionären Kampf gegen die „eigene“ imperialistische Bourgeoisie mobilzumachen. Deshalb rufen wir heute dazu auf, Russland und den bürokratisch deformierten Arbeiterstaats Chinas gegen die Imperialisten zu verteidigen, den NATO-Stellvertreterkrieg um die Ukraine zu zerschlagen, und gleichzeitig für Arbeiterrevolution gegen die kapitalistischen Machthaber, sowohl in Kiew wie in Moskau, und gegen die imperialistischen Kriegstreiber der NATO-Länder.
Das wird keine national/reformistische „Friedensbewegung“ erwirken, weil sie obligatorisch auf der Basis der Klassenkollaboration – d.h., der Volksfrontpolitik – aufgebaut ist. In der Tat, obwohl die Stimmung gegen den Ukrainekrieg und deren Konsequenzen wächst, ist das Ausbleiben von massiven Protesten gegen den NATO-Krieg darauf zurückzuführen, dass der Großteil der Linken auf der Seite der Kriegstreiber steht und keine „regierungsfähige“ Fraktion der Bourgeoisie zur Verfügung steht, die solche Demos in sichere Kanäle führen kann. Deswegen sind die größten Antikriegsaktionen von rechten Kräften angeleitet, wie die 100.000 Menschen die am 3.10.2022 zum „Tag der deutschen Einheit“ im Osten auf die Straße gingen mit Losungen gegen die anti-russischen Sanktionen und hohe Gaspreise und gegen Waffenlieferungen an die Ukraine.
Italienische Arbeiter zeigen den Weg
–
Stoppt Waffenlieferungen an die Ukraine durch
Arbeiteraktionen!
Hafenarbeiter in Genua riefen zu der Demonstration von 10.000 Menschen am 25. Februar auf, um Waffenlieferungen an die Ukraine zu blockieren. Internationale proletarische Solidaritätsaktionen wie diese versetzen dem Imperialismus einen Schlag.
Revolutionäre Marxisten die den Lehren von Lenin und Trotzki folgen, denen der Oktoberrevolution 1917, die sich als Auftakt der internationalen sozialistischen Revolution präsentierte, zählen auf die Mobilisierung der Kraft der Arbeiterbewegung, um den imperialistischen Kriegskurs zu zerschlagen, nicht auf eine amorphe bürgerliche Friedensbewegung, die die Kriegstreiber bittet, den Krieg zu stoppen. Also rufen wir zu Arbeiteraktionen gegen Waffenlieferungen an die Ukraine auf. Solche hat es auch gegeben. Am 25. Februar legte das Autonome Komitee der Hafenarbeiter (CALP, Collettivo Autonomo Lavoratori Portuali), Anhänger der Basis-Gewerkschaft USB, den Hafen von Genua in Italien still und organisierte eine Demo von 10.000 Menschen, die durch das Hafengebiet marschierten und dazu aufriefen, die Waffenlieferungen an die Ukraine zu blockieren, Sanktionen gegen Russland aufzuheben, und für Widerstand gegen den „NATO-Krieg“.
Bereits am 14. März 2022 haben Arbeiter am Flughafen von Pisa, Italien (auch Mitglieder der USB), eine als humanitäre Hilfe getarnte Waffenlieferung entdeckt und sich geweigert, die Fracht zu laden. Hafenarbeiter aus dem nahe gelegenen Livorno und etwa 2.000 Menschen strömten zum Flughafen, um sich mit der Aktion zu solidarisieren. Anderswo in Europa hat die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) Eisenbahnblockaden gegen Waffentransporte der NATO organisiert, obwohl diese reformistische, sozialpatriotische Partei Russland als „imperialistisch“ bezeichnet hat. In den Vereinigten Staaten hat die Internationalist Group, Sektion unserer LVI, eine wichtige Rolle gespielt bei der Initiierung und Verwirklichung des Hafenarbeiterstreiks am 1. Mai 2008 gegen die imperialistischen Kriege in Afghanistan und im Irak.
Schon in der Frühzeit der Komintern hat die Kommunistische Partei Frankreichs (PCF) eine Kampagne zur Verteidigung des von Abd el-Krim angeführten Berberaufstands in der Rif-Region in Marokko organisiert, die zu einem Generalstreik gegen den Krieg am 12. Oktober 1925 führte (wobei bis zu 1.000 PCF- und kämpferische Arbeiter verhaftet wurden). Später, in den Jahren 1949 und 1950, weigerten sich Hafenarbeiter in Marseille, Munition für die französischen Streitkräfte zu laden, die einen imperialistischen Krieg in Vietnam führten. Und früher noch haben im Januar 1918 Tausende von Industriearbeitern in Kiel und etwa 400.000 Berliner Metallarbeiter gegen die deutsche Beteiligung am I. Weltkrieg gestreikt. In diesen Streiks wurden zum ersten Mal Arbeiterräte gewählt, die dann später in der Novemberrevolution 1918 eine wichtige Rolle gespielt haben.
Diese Arbeiteraktionen sind von Linken von verschiedener Couleur angeleitet worden, und stellen kein Allheilmittel dar. Die Revolutionären Obleute, die die deutschen Arbeiterräte führten, hauptsächlich Anhänger der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei), haben danach eine widersprüchliche Rolle in der Entwicklung der Revolution gespielt, nicht zuletzt im blutig unterdrückten „Spartakusaufstand“ im Januar 1919. Aber ohne solche Klassenmobilisierungen wäre es überhaupt nicht zu den revolutionären Ereignissen gekommen, bei denen das Schmieden und die effektive Kampfleitung einer revolutionären kommunistischen Führung der entscheidende Faktor ist.
Die Internationalistische Gruppe bei der Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Demo, Berlin, 15. Januar. „Verteidigt China gegen Imperialismus und Konerrevolution!“
Nach der Spaltung steht die Kommunistische Organisation (ZL) am Scheideweg. Ihr Zögern, eine Stellungnahme zum Ukraine-Krieg zu formulieren, deutet auf die politische Verwirrung hin, die fast die ganze Linke in den letzten anderthalb Jahren erfasst hat, dessen Wurzeln aber viel tiefer liegen. Das traditionelle stalinistisch-reformistische Rezept für eine nationalistische Volksfront-„Friedensbewegung“ ist offenkundig gescheitert, während die Pseudo-„Marxisten-Leninisten“ (sowie nicht wenige Pseudo-Trotzkisten) Lenins Lehren über den Imperialismus offen umdrehen, um sich zu weigern, auf der Seite der Zielscheiben des imperialistischen Krieges der USA/NATO zu stehen. Ihre zynischen Verzerrungen sind der Beweis dafür, dass ihr Revisionismus zugunsten der wahren Imperialisten bewusst ist.
Die Pseudos führen alle in eine Sackgasse. Für diejenigen, die eine revolutionäre Rolle in den kommenden Klassenkämpfen spielen wollen, ist die Auseinandersetzung mit der Frage Stalinismus vs. Trotzkismus unerlässlich. Kehrt zurück zum Weg des Roten Oktobers, den Weg Lenins und Trotzkis für die internationale sozialistische Revolution. ■
- 1. Siehe den Artikel „Gleichschaltung der Linken in der ‚Zeitenwende‘“ in Permanente Revolution Nr. 6, Winter 2022/2023.
- 2. Wir verwenden den Begriff „stalinistisch“ bezüglich der diversen „ML“-Gruppierungen nicht weil sie Stalin verherrlichen, sondern weil ihre Politik auf Stalins antimarxistischer Dogmatik des „Aufbaus des Sozialismus in einem Land“ beruht (und zu seiner logischen Folge, der Klassenkollaboration in anderen Ländern mittels der Volksfront führt).
- 3. „Bericht zum außerordentlichen Mitgliederkongress der KO“, KO-ZL, 8. Januar.
- 4. Stellungnahme der KO-ZL, 5. April.
- 5. Siehe dazu „Das Schreckgespenst des ‚russischen Imperialismus‘“ (Permanente Revolution Extrablatt, September 2022).